Im Wirbel der Gefuehle
damit abgefunden.«
»So oder so.«
»Ich muss gestehen, dass ich erleichtert bin«, atmete ihr Vater auf und rieb sich die Nase. »Lenoir ist ja durchaus ein angenehmer Zeitgenosse, doch er kann beängstigend gut pokern und seinen Willen durchsetzen. Mir wäre es lieber, ich würde ihm nicht in die Quere kommen, wenn er wirklich auf etwas aus ist.«
»Aber wenn es nur um die Einlösung einer Schuld geht ...«
»Das bedeutet aber nicht, dass ihm die Hochzeit ungelegen kommt«, sagte ihr Vater mit tiefer Menschenkenntnis. »Tatsache ist nämlich, dass mir scheint, er habe ein Auge auf dich geworfen, cherie .«
»Da liegst du sicherlich falsch.«
»Glaubst du nicht, dass es möglich wäre?«
»Ich bin nicht gerade eine große Schönheit und sonderlich anziehend.« Sie zögerte kurz, fuhr dann aber fort. »Letzte Nacht ist er in die Stadt geritten.«
Ihr Vater blickte sie flüchtig an, um sich dann wieder abzuwenden. »Das muss ja nicht gleich heißen, dass er unzufrieden ist, nur braucht er womöglich noch ... andere Vergnügungen.«
Er meinte damit die Art von Vergnügungen, die es auf River's Edge erst nach seiner Hochzeit gab. Reine presste ihre Lippen zusammen, doch dann sagte sie schließlich. »Ich hoffe, dass so etwas bald nicht mehr vorkommt.«
»Ich bin sicher, Lenoir wird ein guter Ehemann sein, wenn ihr den Bund fürs Leben erst mal geschlossen habt, und dann ist es die Aufgabe der Frau, sich um ihn zu kümmern, sodass er zu Hause glücklich und zufrieden ist.«
Sie zog die Stirn in Falten, und ihre Augen verengten sich. »Willst du damit etwa sagen, dass es meine
Schuld war, dass Theodore andere Frauen im Bett bevorzugte?«
»Nicht doch, er war eben jung und noch nicht gebändigt. Nach einer gewissen Zeit wäre er schon zur Ruhe gekommen.«
»Vielleicht«, antwortete sie, ohne davon recht überzeugt zu sein. Ihr Vater wusste ja nicht von all den schmerzhaften Beleidigungen, die er Reine am Abend, bevor er Bonne Esperance verlassen hatte, an den Kopf warf. Sogar während der drei Tage, an denen traditionell der Bräutigam und die Braut in ihrem Schlafgemach eingesperrt werden, um sich aneinander zu gewöhnen und bezüglich der ehelichen Intimität die Scham überwinden zu lernen, sogar an diesen Tagen ist er abgehauen und ließ sie weinend zurück. Sie schämte sich so sehr, dass sie ihr Gesicht so tief wie möglich im Kopfkissen verbarg, aus Angst, es könnte sie jemand hören. Danach war zwischen ihnen nichts mehr wie zuvor.
»Abgesehen davon ist Lenoir kein Müßiggänger, wie viele andere Herren von Stand«, fuhr ihr Vater fort. »Vielleicht hat er ja Verpflichtungen, von denen wir nichts wissen. Womöglich gibt er einem Kunden noch spät am Abend Fechtunterricht, weil dieser diskrete Privatstunden vorzieht, und zwar außerhalb der üblichen Öffnungszeiten.«
»Das mag sein.« Nach einer Weile fügte sie hinzu. »Weißt du irgendetwas von seinen finanziellen Verhältnissen? Ich meine, er scheint nicht gerade betucht zu sein.«
Ihr Vater trat einen Schritt auf sie zu und lehnte sich an den nächsten Stützbalken. »Wie kommst du darauf? «
»Schau dir doch nur mal diesen Leinenstoff an.«
Sie hielt das Hemd hoch, das Sie gerade ausbesserte. Durch die Strahlen der Sonne, die sich darin verfingen, sah es fast durchsichtig aus, so dünn war es inzwischen. »Ganz schön abgewetzt, siehst du, und der Ärmel ist am Ellenbogen fast durch. Meinst du, ihm würde ein neues Hemd als Hochzeitsgeschenk gefallen?« Sie schien mit der neuen Situation am ehesten klarzukommen, indem sie sich vorstellte, dass Christien von River’s Edge genauso abhängig war wie sie selbst und alle anderen.
»Ich denke, dass er alles, was du für ihn machst, sicherlich mit Wohlwollen betrachten wird. Allerdings wundert mich das schon ein bisschen, dass du jetzt neuerdings auch deinen Verlobten auf die Liste derer gesetzt hast, die du zu umsorgen gedenkst.«
»Ich möchte nur nicht, dass er sich vor unseren Hochzeitsgästen blamiert. Außerdem ist es schließlich nur ein Hemd.«
»Und dann kommen sicherlich noch ein paar gestrickte Strümpfe. Ach ja, und danach womöglich eine Krawatte. Und was dann noch, Unterwäsche vielleicht?«
»Papa!«
»Vergib mir, ich kann da nicht widerstehen, wenn du dich so häuslich gibst. Ernsthaft, mir ist allerdings noch nicht klar, wie du die Größe des Hemdes abschätzen willst.«
»Ich nehme natürlich das hier als Vorlage.«
Der Gesichtsausdruck ihres Vaters wurde recht
Weitere Kostenlose Bücher