Im Wirbel der Gefuehle
verschmitzt. »Und ich habe mit mir schon eine Wette angeschlossen, wer wohl letztlich dabei gewinnen würde, wenn du dich entschließen würdest, höchstpersönlich bei ihm Maß zu nehmen.«
»Es wäre allerdings praktischer, die genauen Abmessungen zu haben«, sagte sie und betrachtete stirnrunzelnd das Hemd in ihren Händen, ohne dabei auf die Zweideutigkeit in der Bemerkung ihres Vaters einzugehen. »Man denke nur an die Zeit, die man umsonst opferte, und den vergeudeten Stoff, wenn das Hemd nachher beim Waschen eingeht oder die Ärmel abreißen, weil er doch umfangreicher ist, als ursprünglich angenommen.«
»Ja, vielleicht hat er etwas breitere Schultern«, meinte ihr Vater nachdenklich, »aber sonst müsste es so passen. Der Mann hat wirklich kein Gramm zu viel auf den Rippen.« Er seufzte und tätschelte seinen kleinen Wanst. »Aber wenn du tatsächlich noch Maß nehmen möchtest, dann solltest du dich beeilen, denn ich habe schon Alonzo gesehen, wie er das Rasierwasser heiß macht. Noch eine Viertelstunde und dein Verlobter reitet über die Plantage. Ich habe noch nie einen Mann erlebt, den es so früh am Morgen rausdrängt.« Er zwinkerte Reine zu und löste sich von dem Pfosten, an den er sich gelehnt hatte. »Du hast sicher schon dein Frühstück gehabt. Ich hingegen werde genau das jetzt einnehmen.«
Sie murmelte versonnen noch etwas als Antwort, während er sich ins Innere des Hauses begab. Ihr Vater war einfach zu humorvoll, als das er der Versuchung nicht widerstehen konnte, ihr den Rat zu geben, Christien aufzusuchen und an seinem nackten Oberkörper Maß zu nehmen. Er hatte ja keine Ahnung, dass sie dies tatsächlich tun würde. Sie war sich allerdings erst mal gar nicht so sicher, ob sie es wagen sollte, doch die Vorstellung, mit den exakt richtigen Maßen zu arbeiten, erschien ihr wichtig, ja eine geradezu verlockende Aufgabe zu sein. Es gab allerdings nur einen Versuch, denn das Hemd musste zur Hochzeit fertig sein und passen. Viel Zeit blieb da nicht übrig.
Es war ja nicht so, dass sie so etwas noch nie gemacht hätte, denn bei Paul und ihrem Vater hatte sie durchaus gelegentlich Maß genommen, um ihnen ein Nachtgewand zu schneidern. Die normalen Oberhemden ließen sie allerdings in der Stadt anfertigen, wo man in der Schneiderei gute Schnittmuster verwendete.
Sie wollte aber, dass ihr Zukünftiger ordentlich angezogen war, wenn er mit ihr zum Traualtar schritt. Wenn dann die Gäste davon ausgingen, dass sie ihn nur wegen seines guten Aussehens und des guten Kleidergeschmacks geheiratet hätte, wäre ihr das auch recht. Immerhin schien eine solche Unterstellung weitaus tragbarer zu sein als Mitleidsbekundungen, weil sie, um das Wohlergehen ihrer Familie zu sichern, in eine Zwangshochzeit eingewilligt hätte. Angesichts dieser Überlegungen war sie erst recht entschlossen, ein so gut wie möglich sitzendes Hemd für ihren Verlobten zu nähen.
Sie erlaubte sich keine weiteren Gedanken, die sie womöglich dazu veranlassen würden, ihren Vorsatz rückgängig zu machen. Zehn Minuten nachdem ihr Vater gegangen war, hatte sie die Ausbesserungsarbeiten an dem alten Hemd vollendet, sie nahm ihren Nähkorb, in dem sich auch ein baumwollenes Maßband befand und machte sich auf die Suche nach Christien.
Als sie mit dem Nähkorb in der Armbeuge vor der Tür zu seinem Zimmer ankam, hielt sie kurz inne und hob dann eine Hand, um vorsichtig anzuklopfen. Was, wenn er noch im Bett wäre oder gar unbekleidet? Oder er sich weigern würde? Ihr Vater hatte recht. Ihr Bräutigam verhielt sich vorbildlich, wenn er schlecht gelaunt war, setzte er nur ein finsteres Gesicht auf.
Sie sollte keine Angst vor ihm haben, oder doch?
Aber eine Ehe damit zu beginnen, sich vor eventuellen Wutausbrüchen des Gatten zu fürchten, war keine gute Idee, also klopfte sie entschlossen an die Tür.
Eine tiefe Stimme schallte ihr entgegen und bat sie, einzutreten. Ohne zu zögern, drehte sie am Türknopf, öffnete und schlüpfte hinein.
Christien stand barfuß und mit nacktem Oberkörper, seinen Rasierer in der Hand, leicht gebeugt vor dem kleinen, ovalen Spiegel, der auf dem Sekretär platziert war, ein wenig zu niedrig für seine Größe. Er hatte nur eine beige Hose an, von der die Hosenträger seitlich herunterhingen. Da er keine weitere Reaktion von dem Eindringling vernahm, drehte er sich abrupt zur Tür um.
»Guten Morgen, Monsieur«, begrüßte sie ihn und begab sich schnellen Schrittes in die Zimmermitte. Sie
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