Im Wirbel der Gefuehle
»Ich werde woanders hingehen. Auch möchte ich mich für die Kompromittierung deiner Schwester in jeder Hinsicht entschuldigen.«
»Ich sollte Sie hinauswerfen.« Paul formte seine Hand zu einer Faust und schlug mit unterdrücktem Arger auf den Tisch, während er Christien mit seinem Blick fixierte.
»Ich bitte dich, das nicht zu tun. Es reicht schon, dass jeder, außer Reine, in diesem Haus auf mich sauer ist. Wenn ich nun ihren Bruder verprügeln würde, wäre das womöglich ein Grund für sie, die Hochzeit abzusagen.«
»Es könnte aber auch sein, dass Ihr derjenige sein würdet, der verprügelt wird.«
»Wäre denkbar«, stimmte Christien zu. »Dann wirst du das aber Reine erklären müssen.«
Der streitsüchtige Ausdruck in Pauls Gesicht milderte sich ein wenig ab. »Sie sollten besser nicht daran denken, vor der Hochzeit davonzulaufen.«
»Das ist wirklich das Letzte, was ich vor habe, glaub mir.« Gott weiß, dass dem so ist, dachte Christien bei sich. Er wäre verrückt, wenn er Reine jetzt verlassen würde, wo sie so empfänglich für seine Berührungen gewesen war, ihr Körper in jeglicher Hinsicht mit dem seinem harmoniert hatte und ihre Reaktionen auf seine Zärtlichkeiten so heftig waren, dass er mit sehnsuchtsvollen Schmerzen daran zurückdachte. Das Problem war nur, dass diese Wahl unter bestimmten Umständen gar nicht mehr in seinen Händen liegen würde.
Paul schaute demonstrativ zur Seite und blieb einen Moment lang in seine Gedanken versunken, dann setzte er sich wieder hin. »Ich habe irgendwie mehr von Ihnen erwartet«, murmelte er leise vor sich hin. »Es war eigentlich ihre Aufgabe, sie zu beschützen.«
Das war ein Schlag unter die Gürtellinie. Christien musste tief durchatmen. Er hatte Paul enttäuscht, das verrieten dessen Gesichtszüge nur zu deutlich, andererseits war es von Anfang an unvermeidlich, so viel stand fest, auch wenn er es zutiefst bedauerte.
Die Anschuldigung des Jungen war aber auch gerechtfertigt, denn er hatte Reine in gewisser Weise hintergangen. Er wollte einfach mal austesten, wieweit sie gehen würde bei diesem kleinen Spiel, das zwischen ihnen ablief, wenn es denn überhaupt ein Spiel war. Dabei hatte er allerdings seine eigenen Gefühle für sie unterschätzt. Ganz instinktiv ging er mit List und Tücke gegen sie vor, um sie gefügig zu machen, was schließlich in einem Rausch der Sinne endete, der ihn immer noch erschauern ließ, wenn er nur daran dachte. Seine Bestrafung bestand nun wohl darin, dass er jetzt in ständiger Angst lebte, dass sie womöglich seine wahren Beweggründe erfahren könnte, die so wenig mit bloßen Sinnesfreuden zu tun hatten.
Er hätte ihr fast alles gestanden, in jenem perfekten Augenblick nach ihrer Vereinigung, kurz bevor
Marguerite ins Zimmer platzte. Jetzt wünschte er sich natürlich, dass er die Gelegenheit beim Schopfe ergriffen hätte. Das wäre unendlich besser gewesen, als in ständiger Sorge zu leben, dass sie es von jemand anderem zu hören bekäme.
Das Schlimmste daran war, dass er sie jederzeit wieder nehmen würde, wenn sich nur halbwegs die Gelegenheit böte. Doch eine weitere Chance, dieses Abenteuer der Lust zu wiederholen, war seitdem nicht mehr in Sichtweite gerückt. Seit Marguerite die beiden mehr oder weniger in flagranti erwischt hatte, zog sich Reine demonstrativ zurück, vermied seine Bettstatt wie der Teufel das Weihwasser. Er war auf sich alleine gestellt, wenn man mal von den aufopferungsvollen Diensten Alonzos absah. Auf diese Weise vom Rest der Welt abgeschnitten, hielt er es eine Weile aus. Heute Morgen jedoch hatte er die Hoffnung auf ihre Rückkehr endlich aufgegeben und damit auch seinen etwas überbetonten Invalidenstatus.
»Solche Dinge passieren nun einmal«, entgegnete er nachdenklich und schritt auf das Buffet zu, wo er aus einer Reihe von mit Silbertellern abgedeckten Schüsseln seine Mahlzeit wählen konnte. »Es ist ja nicht so, dass deine Schwester irgendein unerfahrenes Mädchen wäre, das sich durch eine verklärte Romantik hat verführen lassen.«
Paul rutschte unangenehm berührt auf seinem Sessel hin und her. »Wollen Sie damit sagen, dass sie es ebenfalls wollte.«
»Nichts dergleichen«, antwortete Christien über die Schulter, während er vor dem Geruch von frisch gebratenem Speck zurückwich und sich nur für eine Tasse schwarzen Kaffee entschied. »Was private Angelegenheiten anbelangt, werde ich nur so viel sagen, als absolut notwendig ist«, machte er seinen Standpunkt
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