Im Wirbel der Gefuehle
wie möglich und lenkte seine Fußschritte zu den Außengebäuden der Plantage. Er war nicht gerade glücklich, wenn er daran dachte, dass Reine bei den Ställen war, denn dann war kaum davon auszugehen, dass sie alleine wäre. Private Momente schienen auf River’s Edge eine seltene Annehmlichkeit zu sein, entdeckte er mit einem gewissen Bedauern. Andererseits ging ihm der entlassene Aufseher nicht aus dem Kopf. Diesbezüglich gab es keinen Grund, anzunehmen, dass er Reine freundlich gesinnt wäre, wenn er ihren Weg kreuzen würde. Christien konnte deshalb nicht wirklich entspannt sein, bis er sie endlich gefunden hätte.
Im Stall angekommen, traf er sie jedoch nicht an. Der Junge, der dort ausmistete, gab bereitwillig Auskunft und sagte, dass er ihre Stute gesattelt hatte, was noch gar nicht lange her war, und auch das Pony für die kleine mam´selle. Die beiden wären in Richtung des alten Anwesens der Pingres aufgebrochen.
Christien tastete vorsichtig seine Bandagierung am Brustkorb ab und befahl, seinen schwarzen Hengst aufzusatteln. Mit zusammengebissenen Zähnen und der Hilfestellung des Stallburschen schaffte es Christien, sich mit Mühe hochzuschwingen. Er nahm die Zügel in die Hand, hielt einen Moment inne und schaute den jungen Mann an, der ihm eben geholfen hatte und nun aus dem Weg getreten war.
»Wie heißt du?«, fragte er ihn, ohne den Blick von ihm abzuwenden.
»Morris, m’sieur «, antwortete der Bursche. »Alle nennen mich aber Mo.«
»Warst du zufällig derjenige, der den Hengst zurück in den Stall gebracht hat, damals in der Nacht, als ich angeschossen wurde.«
Er nickte zustimmend. »Madame kam hier angeritten, als ob alle Höllenhunde hinter ihr her wären. Sie sagte dann, dass Alonzo und noch drei andere gebraucht würden, damit man Sie ins Haus tragen könnte und dass ich Ihr Pferd nehmen sollte.«
»Geritten, sie ist geritten?«, fragte Christien erstaunt.
»Mais oui. Sie ist eine formidable Reiterin, Ihre junge Madame. Sie hat vor nichts Angst.«
»Nein.« Christien hatte diesbezüglich keine Zweifel, aber sie erwähnte bisher nicht, dass sie in jener Nacht, als er auf seinem Pferd angeschossen wurde, ausgeritten war. Das schien ihm ein beachtenswertes Detail zu sein.
»Danke, dass du dich um mein Pferd gekümmert hast«, sagte Christien und fingerte eine Münze aus seiner Westentasche und gab sie dem Burschen. »Du hast nicht zufällig den Koffer mit meinen Degen gesehen, der hinter dem Sattel befestigt war? «
»Einen Koffer? Nein, m’sieur. Nichts dergleichen. Ist er verschwunden?«
»Nur kurzfristig abhandengekommen«, sagte er leichthin. »Es hat auch niemand einen Koffer an der Uferstraße entdeckt?«
»Das weiß ich nicht. Soll ich danach suchen?«
Es war nicht gerade wahrscheinlich, dass ein Koffer mit wertvollen Duelldegen im Straßengraben liegen bleiben würde, ohne dass es jemandem auffiel. Andererseits wäre es durchaus denkbar, dass derjenige, der ihn gefunden hatte, ihn versteckt hielt und auf eine Gelegenheit wartete, sie zu Geld zu machen. »Ich hänge an diesem Paar edler Rapiere. Für denjenigen, der sie wiederfindet, würde auf jeden Fall eine Belohnung herausspringen.«
»C'est vrai ? Ich werde die Augen offen halten, ganz bestimmt.«
Mehr konnte er im Moment nicht tun, dachte Christien, verabschiedete sich mit einer angedeuteten Handbewegung von dem Stallburschen und gab seinem Pferd die Sporen, das ihn aus der dunklen Scheune in das gleißende Morgenlicht hinaustrug.
Er folgte einem Pfad, der entlang der Außengebäude der Plantage verlief, an den Hütten der Bediensteten vorbei, sich dann zwischen der Kapelle und dem Haus des Aufsehers durchschlängelte und schließlich zur Zuckerrohrmühle führte. Von dort führte er durch einen Bestand von Hickoybäumen, zog sich dann entlang eines Entwässerungsgrabens, der die Maisfelder von den Anbaugebieten mit Bohnen abtrennte, um schließlich in ein Meer von wogendem Zuckerrohr zu münden. Nachdem Christien durch die mannshohen Pflanzen geritten war, kam er zu einer Weide, auf der Kühe, Maulesel und ein paar Ziegen grasten. Am
Wegesrand lagen zahlreiche Bündel mit Zuckerrohr, während vor ihm ein lichter Wald die Sicht begrenzte. Dort führte der Pfad unter weit ausladenden Bäumen entlang, unter denen Weinreben, Farne und zahlreiche Sträucher wuchsen.
Von Reine und Marguerite gab es jedoch kein Lebenszeichen.
Christien dachte schon, er würde einer falschen Spur folgen, als er plötzlich einen
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