Im Wirbel der Gefuehle
also ... also das, was von ihm noch übrig war. Je schneller er unter die Erde kam, desto besser, dachten alle.«
»Du warst also sicher, dass es sich um deinen Schwager gehandelt hatte?«
»Ich habe es schließlich öffentlich beschworen, nicht wahr?«
Christien hatte mit dieser Frage extra noch einmal nachgehakt, denn irgendetwas in Pauls Verhalten ließ bei ihm die Alarmglocken schrillen. Der Verdacht bestätigte sich umso mehr, als er die grünlich blasse Gesichtsfarbe des Jungen betrachtete. Er nahm einen Schluck von seinem Kaffee, bevor er sich wieder Paul zuwandte. »Das muss ein schrecklicher Anblick gewesen sein. Nicht viele Männer können so etwas aushalten.«
Paul wedelte mit seinem Frühstücksgebäck über dem Tisch und versuchte, abzulenken. »Könnten wir bitte von etwas anderem reden? Ich versuche nämlich gerade, zu essen.«
»Entschuldigung. Ich habe mir das nur gerade vorgestellt und musste mir eingestehen, dass ich wahrscheinlich höchstens einen kurzen Blick riskiert hätte.«
»Okay, so genau habe ich auch nicht hingesehen«, rief der Junge aus und schmiss sein Frühstücksgebäck mit solcher Wucht auf den Teller zurück, dass es wieder auf der weißen Tischdecke landete. »Sind Sie jetzt zufrieden? Es war ein männlicher Leichnam, und er wurde in einem Wasserstrudel gleich hier unten am Fluss gefunden. King behauptete, es sei Theodore. Das schien alles zu passen.«
»Das klingt so, als ob du dir auch nicht so sicher wärst?«, fuhr Christien fort und versuchte, seiner Stimme einen etwas milderen Klang zu geben.
»Reden Sie keinen Unsinn.« Paul lehnte sich mit finsterem Gesicht in seinen Stuhl zurück. »Theodore war der einzige Mann, den man in dieser Gegend vermisste, und er war seitdem nicht wieder aufgetaucht. Wenn er es nicht war, wer hätte es sonst sein können?«
»Das würdest du doch besser wissen als ich, oder?«
»Natürlich, und niemand anderes. Aber mir gefällt nicht, auf was Sie da hinauswollen.«
»Und das wäre?«
Paul starrte ihn mit lodernden Augen und blassem Gesicht unverhohlen an.
»Dass jemand anderes getötet wurde und an den Fluss geschafft wurde, um dann dort gefunden zu werden und demnach Theodore noch am Leben wäre. Aber er ist tot. Ich sage es Ihnen gerne noch einmal, er ist seit über zwei Jahren tot und natürlich seitdem auch nicht wieder aufgetaucht. Es ist schließlich auch das Beste für Reine gewesen, darin Sicherheit zu haben, sodass sie endlich ihre Trauerkleidung anlegen und das Kapitel mit dem öffentlichen Wehklagen beenden konnte. Auf diese Weise war es ihr auch möglich, hier in River’s Edge zu bleiben und den Idioten, den sie geheiratet hatte, zu vergessen. Jetzt ist es raus. Was ich getan und gesagt habe, bereue ich nicht im Geringsten, und ich werde es auch niemals bereuen.«
Christien hatte die Antwort, die er gewollt hatte, und sie stellte ihn mehr als zufrieden. Ein trockenes Lächeln blitze über sein Gesicht, wenn er daran dachte, was ihn das gekostet hatte. Als er den immer noch funkelnden Blick seines zukünftigen Schwagers sah, entgegnete er schlicht: »Ich auch nicht, nein, ich auch nicht.«
Paul starrte ihn noch einen Augenblick lang an und stand dann abrupt auf, ließ seine Serviette auf den Tisch fallen und ging raschen Schrittes aus dem Speisesaal.
Christien blieb mit seiner Kaffeetasse schweigend zurück und brütete vor sich hin. Langsam nippte er an dem lauwarmen Gebräu und schob dann Tasse samt Untersetzer von sich weg. Nach einem weiteren Moment seufzte er, stand auf und machte sich auf die Suche nach Reine.
Im Haus traf er sie allerdings nicht an, denn ihr Schlafzimmer war leer, und die Tür stand offen, sodass er sah, wie zwei Dienstmädchen das Bettlaken strafften. Das Kinderzimmer war ebenfalls leer. Madame Cassard hingegen frühstückte in ihrem Bett und genoss cafe au lait mit ein paar warmen Croissants. Durch einen Türspalt ließ sie ihm aber von einer Zofe mittei-len, dass sie ihre Tochter heute Morgen noch nicht gesehen habe.
Monsieur Cassard saß mit einem Nachbarn auf der Veranda, der ihm als Monsieur Lavalier vorgestellt wurde. Aus Rücksicht auf seinen Gast verhielt sich Cassard äußerst zuvorkommend, doch sein Blick verriet, dass er ihm alles andere als wohlgesinnt war. Er schien geradezu unwillig zu sein, ihm bei der Suche nach Reine zu helfen, doch schließlich gab er den Hinweis, dass er sie in Richtung Stallungen hatte gehen sehen.
Christien verließ die Männergesellschaft so schnell
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