Im Zauber der Gefuehle
Augenblick, als der Graf tröstend Lotties Hand ergriffen hatte. Noch nie zuvor in seinem Leben war Nick besitzergreifend gewesen, was einen anderen Menschen anbetraf, aber zu sehen, wie sich Lottie von einem anderen Mann berühren ließ, war ihm unerträglich. Etwas geschah mit ihm - er hatte die Kontrolle über die Situation verloren und war sich nicht sicher, wie er sie wiedergewinnen sollte. In diesem Moment war nur eines sicher: Er brauchte Lottie, und wenn er sie nicht besitzen konnte, würde ihn das ewige Gefühl des Hungers, der Unzufriedenheit und der Kälte in seinem Innern niemals mehr loslassen.
Nick blieb am Kamin stehen und wirkte bis auf die zur Faust geballte Hand auf dem Kaminsims nach außen hin entspannt. Insgeheim verfluchte er Westcliff dafür, dass die Angelegenheit eine derartige Wendung genommen hatte. Nick hatte vorgehabt, Lottie die Neuigkeiten möglichst schonend beizubringen und ihre Ängste zu beschwichtigen, bevor sie Gelegenheit hatte, in Panik zu verfallen. Nun hatte Westcliff alles vermasselt, und Lottie war ihm selbst gegenüber verständlicherweise feindselig gestimmt.
Sie wandte sich ihm zu, das Gesicht blass und die Augen vom Weinen gerötet. Dennoch wirkte sie gefasst, als sie ihn eindringlich ansah, als versuche sie, seine Gedanken zu lesen. Ihr musternder Blick wirkte seltsam bedrohlich.
»War alles nur gespielt?«, fragte sie leise.
Nick blinzelte. Obwohl er schon unzählige Stunden an Verhören und sogar Folter hinter sich hatte, brachte ihn diese Frage völlig aus dem Konzept.
»Ich weiß, dass es zumindest teilweise so war«, fuhr Lottie fort. »Es gehörte zu Eurem Auftrag, Euch in mein Vertrauen einzuschleichen, aber Ihr seid ein bisschen weiter gegangen als nötig.« Mit trancehafter Langsamkeit kam sie auf ihn zu. »Warum habt Ihr mir heute Abend diese Dinge gesagt?«
Um Himmels willen, er konnte ihr nicht antworten! Schlimmer noch, er konnte den Blick nicht von ihr wenden und sie schien ihm durch die Augen direkt in die Seele zu blicken.
»Die Wahrheit, Mr. Gentry«, drängte sie. »Wenn ich mich dazu überwinden kann, danach zu fragen, werdet Ihr Euch doch wohl dazu überwinden können, mir zu antworten. War irgendetwas davon wahr?«
Nick spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Er versuchte, sich von ihr abzuschotten, sich ihr zu verweigern, doch es war unmöglich. »Ja«, presste er heiser hervor, bevor er die Lippen wieder fest verschloss. Der Teufel sollte sie holen, wenn sie noch etwas von ihm wissen wollte.
Ohne dass Nick sich erklären konnte, weshalb, schien sein Eingeständnis Lottie zu beruhigen. Schließlich gelang es ihm, den Blick von ihr zu lösen, und er starrte blind in die tanzenden Flammen. »So«, murmelte er, »und nun könntet Ihr mir vielleicht erklären, worum es sich bei der dritten Möglichkeit handelt.«
»Ich benötige Schutz vor Lord Radnor«, meinte sie ohne Umschweife. »Allerdings gibt es nur wenige Männer, die gegen ihn bestehen können, doch ich glaube, dass Ihr dazu in der Lage wärt.«
Es war eine nüchterne Aussage, und Lotties Tonfall enthielt keinerlei Schmeichelei. Dennoch spürte Nick einen Funken männlichen Stolzes, weil sie seine Fähigkeiten erkannt hatte.
»Ja, das wäre ich«, erwiderte er ruhig.
»Deshalb wäre ich im Gegenzug für Euren Schutz und Eure finanzielle Unterstützung dazu bereit, Eure Geliebte zu werden. Ich würde einen dementsprechenden, gesetzlich verbindlichen Vertrag unterschreiben. Das dürfte ausreichen, um mir Lord Radnor vom Hals zu halten, denke ich - und ich müsste mich nicht länger verstecken.«
Seine Geliebte. Niemals hätte Nick gedacht, dass sie sich dazu herablassen würde. Allem Anschein nach war Lottie jedoch ein pragmatisch veranlagter Mensch und hatte ein Gespür dafür, wann sie es sich nicht mehr leisten konnte, ihren angestammten Prinzipien treu zu bleiben.
»Für mein Geld und meinen Schutz steigt Ihr mit mir ins Bett«, sagte er, als verlange der Begriff Geliebte nach einer Definition. Er warf ihr einen bedächtigen Blick zu. »Ihr werdet bei mir wohnen und Euch in der Öffentlichkeit mit mir zeigen, egal, wie viel Schande Euch dieses Verhalten einbringt. Wollt Ihr das damit sagen?«
Ihre Wangen verfärbten sich tiefrot, doch sie wich seinem Blick nicht aus. »Ja.«
Ein uraltes Begehren durchfloss ihn und versengte jede Faser seines Körpers. Die Erkenntnis, dass sie ihm gehören und sich ihm freiwillig hingeben würde, machte ihn ganz benommen. Seine Geliebte ...
Weitere Kostenlose Bücher