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Im Zauber der Gefuehle

Titel: Im Zauber der Gefuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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Gedanken nicht wohl geordnet waren oder ich sie nicht elegant formulierte. Zu nichts durfte ich eine Meinung kundtun. Sobald ich zappelig wurde, band man mir die Hände am Stuhl fest. Bekam ich von der Sonne ein bisschen Farbe, erhielt ich Hausarrest.« Sie stieß einen tiefen Seufzer aus. »Lord Radnor wollte einen völlig anderen Menschen aus mir machen. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie es wäre, als seine Frau mit ihm zusammenzuleben, oder was passieren würde, wenn er letzendlich feststellen musste, dass ich niemals die perfekten Maßstäbe erfüllen würde, die er an mich anlegte.« In ihre dunklen Erinnerungen versunken sprach Lottie mit verschränkten Fingern weiter, ohne sich ganz bewusst zu sein, was sie alles preisgab. »Wie ich mich davor fürchtete, in den Ferien nach Hause zu fahren. Immer war er dort und wartete auf mich. Er gönnte mir kaum Zeit, meine Brüder und Schwestern zu sehen, bevor ich mit ihm gehen musste und ...«
    Mit einem Mal hielt sie inne, als ihr aufging, dass sie im Begriff gewesen war, Gentry das Geheimnis anzuvertrauen, das einen Wutausbruch ihrer Eltern ausgelöst hatte, als sie versucht hatte, ihnen davon zu erzählen. Am Grund ihrer Seele hatte es seit Jahren gebrodelt, doch ihre Eltern hatten ihr ohne Worte zu verstehen gegeben, dass das Überleben ihrer Familie und ihr eigenes einzig und allein von ihrem Stillschweigen abhing. Lottie hielt die verbotenen Worte zurück und schloss die Augen.
    »Du musstest mit ihm gehen und ...«, bohrte Gentry nach.
    Sie schüttelte den Kopf. »Es ist nicht weiter von Bedeutung.«
    »Sag es mir.« Seine Stimme klang sanft. »Glaub mir, was immer du mir erzählen würdest, nichts könnte mich schockieren.«
    Lottie betrachtete ihn argwöhnisch und kam zu dem Schluss, dass er die Wahrheit sagte. Bei allem, was Gentry gesehen, gehört und getan hatte, gab es nichts, was ihn noch entrüsten konnte.
    »Sprich weiter«, murmelte er.
    Und so erzählte Lottie ihm, was niemand sonst hatte hören wollen.
    »Jedes Mal, wenn ich nach Hause kam, musste ich mit Radnor in ein Privatzimmer gehen, ihm von meinem Betragen in der Schule berichten und seine Fragen bezüglich meines Unterrichts und meiner Freundinnen beantworten, und ...« Sie starrte in Gentrys unergründliches Gesicht und stellte fest, dass seine Teilnahmslosigkeit es ihr einfacher machte fortzufahren. »Er zwang mich, während unserer Gespräche auf seinem Schoß zu sitzen. Dann berührte er mich an der Brust und unter dem Rock. Es war ekelhaft, ihm zu gestatten ... aber ich konnte nichts dagegen tun und meine Eltern ...« Hilflos zuckte sie die Schultern. »Sie hörten nicht auf mich, als ich versuchte, ihnen davon zu erzählen. Jahrelang ging es so fort. Einmal gab mir meine Mutter eine Ohrfeige und sagte mir, dass ich Lord Radnor gehörte und er mich ohnehin heiraten würde. Sie sagte, dass ich ihn machen lassen müsse, was er wollte, dass die Sicherheit der Familie von seiner Zufriedenheit und seinem Wohlwollen abhinge.« ln ihrer Stimme schwang Scham mit, als sie hinzufügte: »Und dann bin ich ihm doch davongelaufen und habe sie so den Wölfen zum Fraß vorgeworfen.«
    Gentry sprach sehr behutsam, als wäre sie noch immer ein unschuldiges Kind und keine Frau von zwanzig Jahren. »Ging es weiter als bloßes Berühren, Lottie?«
    Verständnislos starrte sie ihn an.
    Er legte den dunklen Kopf leicht zur Seite, als er mit sanfter Stimme nachfragte. »Hat er dich oder sich zum sexuellen Höhepunkt gebracht, während du auf seinem Schoß saßt?«    
    Ihr Gesicht fing zu glühen an, als ihr dämmerte, worauf er hinauswollte ... den geheimnisvollen ekstatischen Gipfel, von dem einige der Mädchen unter frechem Gelächter berichtet hatten. Dabei handelte es sich um ein körperliches Vergnügen, das ihr bei Radnor auf keinen Fall, hätte zuteil werden können. »Ich glaube nicht.«
    »Glaub mir, du hättest es bemerkt, wenn es passiert wäre«, meinte er hämisch.
    Das Schaukeln der gut gefederten Kutsche ließ sie langsam müde werden, und sie gähnte hinter vorgehaltener Hand.
    »Du solltest dich ausruhen«, sagte Gentry leise.
    Lottie schüttelte den Kopf, da sie davor zurückschreckte, einzuschlummern, während er sie beobachtete. Wie dumm, diese winzige Intimität zu fürchten nach allem, was bisher zwischen ihnen vorgefallen war! Sie suchte nach einem neuen Gesprächsthema.
    »Weshalb bist du Bow-Street-Runner geworden? Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass du

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