Im Zauber des Highlanders
angsteinflößend. Das Aufregendste, was sie jemals gesehen hatte.
Die vom Kilt verhüllten Hüften, der Waschbrett-Bauch, dann der wohlgeformte Oberkörper mit den unheimlichen Tätowierungen kamen zum Vorschein.
Als Letztes tauchte das sündhaft schöne Gesicht aus den silbrigen Wogen; er lächelte, die weißen Zähne leuchteten, die whiskyfarbenen Augen blitzten triumphierend.
Er warf mit einer gebieterischen Geste den Kopf in den Nacken und brachte die Perlenschnüre zum Klimpern, als er vollends aus dem Spiegel trat.
Die Proportionen des Raumes rückten sich zurecht, und der Spiegel war wieder silbern und flach und reflektierte Cians muskulöses Hinterteil und den kräftigen Rücken.
Jessi machte sich innerlich Mut und versuchte sich mit dem Gedanken zu trösten, dass sie zumindest noch einen Augenschmaus genießen durfte, wenn sie jetzt sterben musste.
Schon im Spiegel hatte er wuchtig ausgesehen, aber in natura wirkte er noch größer und breiter. Der Mann hatte Präsenz - diese schwer fassbare Eigenschaft, die manche Menschen zum Magneten machte, der andere sogar gegen ihren Willen anzog. Und er war sich dessen bewusst.
So wie er aussah, war ihm das schon immer klar gewesen.
Arrogant, großspurig, selbstsicher.
Aber war er auch mordlustig? Das war die entscheidende Frage.
»Wenn du mich töten willst, wäre ich dir dankb...«
»Hör auf zu reden, Weib. Be w eg deinen süßen Hintern hierher und küss mich.«
Jessi blieb der Mund offen stehen. Sie schloss ihn. Öffnete ihn wieder. Ihr Schädel unter der Kopfhaut - dort, wo die Metallplatte saß - juckte plötzlich.
Sie kratzte sich. »Vor allen Dingen!« Sie wollte ihm die Worte entrüstet entgegenschleudern, aber sie klangen eher hilflos. Süßer Hintern? Er fand ihren Hintern süß? Sie könnten einen Club gründen, in dem sie sich gegenseitig bewunderten.
»Zieh diesen Pullover aus, Frau, und zeig mir deine Brüste. «
Jessi verschluckte sich beim Luftholen und musste husten. Schon viele Männer hatten sich gewünscht, ihren Busen zu sehen - sie wusste selbst, dass sie außergewöhnliche Brüste hatte -, aber noch nie hatte jemand sie so unverhohlen und ohne vorherigen Verführungsversuch dazu aufgefordert. Sie legte ihre Hände schützend über sie. »Oh, ich glaube kaum, dass ich das ...«
»Schweig«, grollte er. » Du wirst nicht mehr sprechen, es sei denn, ich fordere dich dazu auf.«
Jessi zuckte zurück wie eine Kobra und kratzte sich wieder am Kopf. Das konnte doch nicht sein Ernst sein!
Er sah allerdings so aus, als wäre es ihm bitterernst.
Nach den ersten Schrecksekunden sagte sie mit zuckersüßer Stimme, die Eis zum Schmelzen bringen könnte: »Fick dich doch selbst, du großer, herrschsüchtiger Neandertaler. Wach auf! Wir sind nicht mehr in der Steinzeit.«
»Wie ich dir schon einmal klar zu machen versuchte, ist dein Vorschlag anatomisch nicht durchführbar, und ich weiß sehr gut, in welcher Zeit wir sind. Komm her, Jessica St. James. Sofort.«
Jessi blinzelte. Ein Gedanke schoss ihr durch den Kopf, ein Gedanke, der vieles erklären würde. »Wie lange warst du in dem Spiegel?«, wollte sie wissen.
In seiner Wange zuckte ein Muskel. »Ich sagte, du sollst schweigen.«
Trotz seiner Beharrlichkeit legte sich ihre Wut, während sich ihr Verdacht immer mehr bestätigte. »Nun, das tue ich nicht, also kannst du auch meine Frage beantworten.«
Die whiskyfarbenen Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, als er sie von Kopf bis Fuß musterte. »Elfhundertunddreiunddreißig Jahre.«
Wow. Sie schnappte erstaunt nach Luft. Dann war er - nein! - im neunten Jahrhundert geboren? Unmöglich. Ein lebendiger, atmender Mann aus dem neunten Jahrhundert stand direkt vor ihr? Jemand, der in einem uralten Spiegel gefangen war und elfhundert Jahre später wieder zum Vorschein kam?
Schauer überliefen sie, und sie bekam überall eine Gänsehaut. Selbst die Haare auf dem Kopf schienen zu Berge zu stehen. »Wirklich?«, krächzte sie. Sie war begeistert. Ihr Zorn verrauchte.
Oh, was konnte ihr dieser Mann alles erzählen! War der legendäre König Cinäed mac Ailpin ein Zeitgenosse von ihm? Hatte er die Vereinigung der Schotten mit den Pikten miterlebt? Waren diese sagenhaften Armbänder echte Goldschmiedearbeiten aus dem neunten Jahrhundert? Was hatten diese Tätowierungen zu bedeuten? Und die Runen am Spiegelrahmen - war es möglich, dass es sich um eine unentdeckte alte Sprache handelte? Verdammt! Stammte der Spiegel aus der
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