Im Zeichen der Angst Roman
ich.
Sie erklärte es mir, und ich fragte Mankiewisc, ob es okay wäre, wenn ich ein paar Sachen für Rebecca packte. Mankiewisc rief einen der Männer von der Spurensicherung und bat ihn, mich zu begleiten.
Ich ging die Treppe nach oben. Zum ersten Mal, seitdem ich
das Haus betreten hatte, versuchte ich, einen Eindruck vom Leben meiner Halbschwester zu bekommen. Die Möbel in der Küche und im Wohnzimmer schienen alt, aber sehr gepflegt zu sein. Die Garderobe im Korridor war ebenso neu wie der Treppenlift, und das Haus roch, als sei es gerade frisch renoviert worden.
Mankiewisc begleitete mich nach draußen, damit ich den Hund aus dem Schuppen holte. Ich hörte sein klagendes Geheul, kaum dass wir das Haus verließen.
»Ich kann nicht«, sagte ich vor der Schuppentür.
»Sie müssen«, sagte Mankiewisc und öffnete die Tür.
Der Hund raste auf ihn zu und aus der Tür heraus an mir vorbei. Erschrocken sprang ich zur Seite, während der Hund kläffte und an der Leine riss.
»Erwin«, sagte ich befehlend, doch er starrte auf das Haus, heulte klagend und zerrte weiter an der Leine. Ich ging vorsichtig einen Schritt auf ihn zu, doch immer noch war ich weit genug von ihm weg, so dass er mich nicht erreichen konnte.
»Erwin, aus!«, sagte ich im Befehlston. Der Hund spitzte die Ohren, drehte mir den Kopf zu und sah mich an. Schwanzwedelnd robbte er auf mich zu. Ich hielt buchstäblich den Atem an, mein Hals wurde steif, und mein Oberkörper war so gerade aufgerichtet, als hätte ich einen Stock verschluckt.
»Hey.« Ich beugte mich nach vorn und streckte die Hand aus, damit er an ihr schnüffeln und meinen Geruch aufnehmen konnte. In meinen Knien tobte die Angst, und als fühlte er sie, leckte seine Zunge beruhigend meine Hand, und das Knurren hörte auf.
»Erwin«, sagte ich leise, ging einen Schritt weiter auf ihn zu und ging in die Hocke. Er erhob sich zu seiner vollen Größe, stupste mich mit dem Kopf an der Schulter, und ich wäre fast umgefallen. Mankiewisc grinste, als ich mit den Armen ruderte.
»Er mag mich.« Ich versuchte ein Lächeln, das mehr als missriet.
Mankiewisc reichte mir die Hand und zog mich hoch. »Dann ist es ja kein Problem, wenn Sie ihn mitnehmen. Warten Sie im Haus auf mich. Rühren Sie sich ja nicht vom Fleck. Ich komme noch mal vorbei.«
»Mist«, sagte ich und ging in den Schuppen, wo ich die Leine von einem Haken in der Wand löste.
Als ich Rebeccas Rollstuhl nach draußen schob, standen vor dem Haus noch immer etliche Dorfbewohner. Erwin ging dicht neben mir, als wollte er mich unter keinen Umständen allein lassen. Verwundert schaute ich zu ihm hinunter. Dann sah ich zurück. Mankiewisc war im Haus verschwunden.
Die Menschen teilten sich, als ich den Rollstuhl durch die Gartentür schob, und wir fuhren wie durch ein Spalier. Eine ältere Dame beugte sich nach vorn.
»Tut mir so leid, Beckie. Wenn du Hilfe brauchst …«
»Nein, nein«, sagte Rebecca. Sie sah die Frau nicht an.
Tassilo von Weiden stand neben einer Frau, von der ich kaum mehr als eine Schulter sah. Als sie sich mit einem strahlenden Lächeln umdrehte, erkannte ich seine Mutter.
»Sie kümmern sich um sie«, sagte sie, als wäre Rebecca nicht anwesend, und dann redete sie wie aufgezogen auf mich ein, wie großzügig das sei und dass Madeleine doch noch eine wahre Freundin gefunden habe und wie glücklich sich Rebecca schätzen könne, dass ich mich in dieser Situation um sie kümmerte. Dass sie ja immer schon zu Claire gesagt habe, das mit Madeleine nehme ein schlimmes Ende.
Ich sah Rebeccas geraden Rücken. Sie drehte den Kopf und sah hilfesuchend zu mir. »Bitte«, formten ihre Lippen.
Lydia von Weiden nahm keine Rücksicht darauf, dass das halbe Dorf um uns herum stand. Ich fand, ich könnte ausnahmsweise Gleiches mit Gleichem vergelten.
»Ich habe hier Ihre Enkelin«, sagte ich. »Ihre Mutter ist gerade gestorben, und es wäre sehr liebenswürdig, wenn Sie sich die nächsten drei oder vier Stunden um sie kümmern. Dann bin ich
zurück.« Lydia lief rot an, die Röte kroch aus dem Mantelausschnitt ihren Hals hinauf und überzog das gesamte Gesicht. Sie holte tief Luft. »So etwas ist mir ja noch nie begegnet.«
»Hör auf«, sagte Tassilo von Weiden neben ihr scharf. »Es ist okay. Ich nehme sie mit runter zu den Ställen. Ich kann nur den Hund nicht mitnehmen.«
»Sie ist nicht seine Tochter«, sagte Lydia von Weiden, und ich erwiderte laut und deutlich: »Doch, das ist sie. Und Sie wissen
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