Im Zeichen der Angst Roman
Dickschädel.«
»Nicht heute. Nicht diese Diskussion«, sagte ich und winkte bestimmt ab. »Ich habe gerade meine Mutter wiedergefunden. Als Opfer eines Mordes. Und jetzt wird das Leben meiner Tochter bedroht. Diese Fotos sollen doch wohl sagen, dass Johannas Tod, Kais Tod und der meiner Mutter zusammenhängen, oder?«, fragte ich und hoffte trotz allem, ich wäre im Irrtum. Denn in dem Moment, als ich es aussprach, wurde mir klar, dass das tatsächlich das Beängstigendste war, was mir passieren konnte: einen Zusammenhang zwischen den Toten zu finden.
»Glaub ich nicht«, sagte Claus. »Johanna wurde aus Versehen entführt, dein Ex starb bei einem Unfall, nachdem er sich längst getrennt hatte, und deine Mutter … Tja, was soll ich sagen?«
»Kai starb durch einen Unfall. Das mag sein. Aber wenn es nun doch keiner war? Wenn der Kerl, der den LKW gefahren hat, ein angeheuerter Profi war und es auf ihn abgesehen hatte?«
»Du siehst zu viele Krimis.«
»Ich schreibe welche«, sagte ich, und Unruhe kroch in meine Beine. »Und hier liegen vier Fotos.«
Meine Beine kribbelten. Ich sollte aufstehen und machen, dass ich hier raus und zu Josey kam.
»Du weißt, dass ein Mord ein Motiv braucht.«
»Eben«, sagte ich und stand auf. »Und die Frage ist, welches. Ich muss jetzt los.«
Ich war schon am Gehen. Dann drehte ich mich noch einmal um, stopfte die Fotos zurück in den Umschlag und nahm beide mit.
»Meine Güte, Clara. Kai war Scheidungsanwalt. Er vertrat keine Kriminellen, weder Mörder noch Wirtschaftsverbrecher. Es gab also niemanden, der ihn so hasste, dass er ihn tot sehen wollte. Vielleicht hatte er es mit ein paar durchgeknallten Ehemännern zu tun. Aber gemeinhin beruhigen die sich, wenn die Scheidungen durch sind. Und wenn nicht, bringen sie die Ex um, aber nicht den Anwalt. Jedenfalls hab ich noch nie davon gehört.«
Ich wandte mich ab. Ich wollte nur noch zu Josey. Ich musste sie hören, sehen, anfassen.
Ich rannte aus dem Café.
»Schalte zumindest die Polizei ein!«, rief Claus mir hinterher.
Ich drehte mich nicht um. Ich überlegte längst selbst, ob ich Mankiewisc oder Groß anrufen sollte. Sie hatten mir ihre Visitenkarten gegeben. Für alle Fälle, wie Groß gesagt hatte. Ich entschied, sie später zu informieren. Es gab Wichtigeres zu tun.
4
Ich lief an der Hundewiese entlang zum Parkplatz, während ich mein Handy aus der Tasche kramte und Patrizias Kurzwahl eingab.
»Sie spielen oben im Kinderzimmer«, antwortete Patrizia, als ich fragte, wo die Mädchen seien. Ich sagte ihr, sie solle sie um keinen Preis der Welt vor die Tür lassen, und legte auf. Ich hörte noch, wie sie fragte, was los sei.
Mein nachtblauer Range Rover stand eingekeilt zwischen einem schwarzen BMW und einem silberfarbenen Mercedes. Ich riss die Fahrertür auf, sie knallte gegen die Tür des Mercedes. Ich sah nicht nach, ob sie den Lack beschädigt hatte.
Ich brauchte eine gute Viertelstunde von der Außenalster in die Hochallee. Das lag weniger an der Entfernung als vielmehr an den Ampeln und der Baustelle. Wieder mal. In Hamburg wurden ständig irgendwelche Siele erneuert. Vor einem Jahr hatten sie die Alsterkrugbrücke aufgerissen. Zur Rushhour war da nichts mehr gegangen. Jetzt hatten sie den Harvestehuder Weg vor den Villengebäuden des traditionsreichen »Hoffmann und Campe Verlags« aufgerissen, und die Straße war nur noch einspurig befahrbar. Auch hier ging erst mal nichts mehr. Ich trommelte auf dem Lenkrad herum und wartete an der Ampel auf grünes Licht.
Josey war bei Patrizia Weiden in Sicherheit. Ich wusste das. Aber manchmal reicht das Wissen nicht. Manchmal muss man etwas sehen, etwas berühren, etwas riechen können, um sich davon zu überzeugen, dass man recht hat.
Patrizia wohnte in der Gründerzeit-Villa, in der sie aufgewachsen war. Ihre Eltern hatten dem hanseatischen Schmuddelwetter vor sechs Jahren den Rücken gekehrt und waren an den Comer See gezogen. Damals hatten Patrizia und Patrick sowohl das Haus als auch die Importfirma von Patrizias Eltern übernommen. Als Erstes hatte Patrick die Sicherheitsvorkehrungen im Haus auf den neuesten Stand bringen lassen. Seither waren sie über Videokameras und Bewegungsmelder mit einer Sicherheitsfirma verbunden. Außerdem gab es Personal: Köchin, Gärtner, Kindermädchen, Haushälterin. Meistens sah man sie nicht, aber sie waren tagsüber immer da und schliefen
nachts in einem Nebengebäude, in dem jeder ein kleines Apartment
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