Im Zeichen der gruenen Sonne
heraus. Er hielt das dicke Mädchen, das hilflos in die Luft um sich schlug, am Kragen.
»Raus!«, sagte er, und das Mädchen flog ins Freie.
»Gut gemacht!«, erklärte Abdallah beifällig und bekam zum Vergnügen des Jungen eine schallende Ohrfeige von Rassanow verpasst.
»Sechsmal verdammter Kamelmist, was machen wir jetzt?«, fluchte Alex, nachdem ihnen die Museumstüren krachend vor der Nase zugeschlagen worden waren.
Pit setzte sich auf die Stufen und stützte das Kinn in die Hände. »Wir können nur abwarten und hoffen, dass niemand Tom bemerkt!«
Möhre ließ sich seufzend neben Pit fallen. »Ich wette, gleich fliegt die Tür auf, und Tom wird genauso freundlich rausbegleitet wie wir!«
»Dieser bescheuerte Wächter! Na, wenigstens hab ich ihm ein paar ordentliche Dinger vors Schienbein verpasst!«, schimpfte Alex, zog sich den Hut tief ins Gesicht und legte sich auf einer Stufe lang.
Die Schatten wurden länger, die Sonne sank immer tiefer am westlichen Himmel, das Leben in der Stadt kam ein wenig zur Ruhe. Im unvermeidlichen, alles verstopfenden Verkehrsstau war eine Bewegung zu erkennen, ja, man konnte fast behaupten, dass es vorwärtsging. Die Menschenaufläufe an den Bushaltestellen wurden kleiner, die Läden holten ihre Messingschalen, Karaffen, Gipsfigürchen und echten Skarabäen von den Straßen und schlossen die schweren Holzverschläge. In jedem Fenster, in jedem Hof und sogar auf den örtlichen Friedhöfen, wo sich aus Platzmangel einige Tausend Menschen eingerichtet hatten, flackerte das blaue Licht der Fernseher. Halb Kairo knabberte Chips oder Nüsse und sah auf die langbeinige Blondine, die mit einem Zahnpastalächeln eine »von führenden Instituten getestete Hautcreme gegen die natürliche Alterung« empfahl. Dass die Tests katastrophal ausgefallen waren, erwähnte sie natürlich nicht.
Die Muezzins stellten ihre Nebelhörner an und riefen über Lautsprecher die Gläubigen. Ihre singenden Stimmen hallten durch die Straßen, überall rollten Männer und Frauen ihre Gebetsteppiche Richtung Mekka, der heiligen Stadt, aus oder strömten in die Moscheen. Zuerst wuschen sie sich, wie es der Prophet ihnen gesagt hatte und wie sie es vor jedem Gebet taten. Dann zogen sie die Schuhe aus, betraten barfuß die Teppiche, begrüßten ihre Schutzengel und beteten. Dabei standen sie zuerst aufrecht, mit dem Gesicht Richtung Mekka, dann gingen sie in die Knie und berührten mit der Stirn den Boden.
»Es ist echt zum Heulen!«, fluchte Alex. »Jetzt sitzen wir schon geschlagene zwei Stunden auf dieser blöden Treppe! Wo bleibt der Kerl?«
Möhre lief schon seit einer Stunde auf und ab. »Ich mache mir echt Sorgen, da ist bestimmt was passiert! Wenn ich bloß mein Handy hätte …«
»… könntest du ihn auch nicht anrufen, weil seins bei seiner Oma liegt«, erinnerte sie Pit. »Wir hätten uns einfach nicht trennen dürfen, wir hätten ihn nicht alleine lassen sollen!«, schimpfte Pit vor sich hin.
Entschlossen stand Alex auf. »Okay, wenn Tom nicht rauskommt …«
Möhre und Pit starrten ihn an. »Was dann?«, fragte Pit in böser Vorahnung.
»Dann gehen wir rein!«
Möhre schüttelte mutlos den Kopf. »Blödsinn, ist doch alles abgeschlossen. Wie willst’n da rein?«
»Ganz einfach, wir warten, bis es dunkel wird, dann klettern wir hoch zum Fenster im ersten Stock und steigen ein. Durch die Gitter da oben kann ich mich durchquetschen, kein Problem!«
»Ach, und wie willst du in den ersten Stock kommen? Fliegen?«, fragte Pit spöttisch.
»Ich glaub, ich hab so ’ne Idee!«, erklärte Alex, drehte sich um und sprang die Treppe hinunter. »Bin gleich wieder da!«
Pit und Möhre blieben allein auf den Stufen zurück. Die untergehende Sonne färbte den Himmel tiefrot, und das warme Licht des Abends hüllte die ganze Stadt ein.
Lange sagte keine von beiden ein Wort. Pit holte ihr Taschentuch aus der Hosentasche und putzte umständlich ihre Brille und das Okular ihrer Kamera. Möhre zog das Haargummi aus ihrer roten Mähne und begann ihren Zopf neu zu flechten. Schließlich wurde die Stille zwischen beiden unerträglich. Pit machte den Anfang.
»Mann, manchmal hätte ich gerne auch so tolle Haare wie du!«
»Ist gar nicht so toll, musst du jeden Tag kämmen. Die verfilzen in null Komma nix!«
»Trotzdem …«
Stille. Putzen. Flechten.
»Weißt du«, fingen beide plötzlich an – und brachen prompt in Gelächter aus.
»Weißt du«, sagte Möhre schließlich, »ich finde es viel
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