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Im Zeichen der gruenen Sonne

Im Zeichen der gruenen Sonne

Titel: Im Zeichen der gruenen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Rothe
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wollten sie still wie ein Standbild sein, aber Toms Zeichnungen zeugten von einer derartigen Talentlosigkeit, dass ihnen schließlich doch Kommentare entschlüpften.
    »He, sag mal, hat dein Falke ’nen Kopf zu viel … oder ist das am Ende sein Bauch?«, meckerte Alex. Tom warf ihm einen giftigen Blick zu. »Oh, schon gut, ich halt den Mund!«, versicherte Alex eilig.
    Pit legte den Kopf schief und verglich Toms Zeichnungen mit der Vorlage. »Soll das der Kreis sein? Sieht mehr nach ’nem Ei aus!«
    Tom drehte sich nach den anderen um. »Hört mal, nicht dass ich eure Hilfe nicht zu schätzen wüsste, aber ihr geht mir echt auf den Nerv! Wollt ihr euch nicht ein bisschen das Museum angucken, während ich hier arbeite?«
    Wollten sie natürlich nicht, aber wenn Tom darauf bestand …
    Möhre wühlte in ihren Hosentaschen, fand einen bunten Lutscher und drückte ihn Tom in die Hand.
    »Hier, Verpflegung für die Arbeit!« Dann drückte sie ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange und tänzelte Richtung Ausgang.
    »Tomtomate!«, spöttelte Pit in Anspielung auf Toms Gesichtsfarbe.

Da waren’s nur noch drei …
    Abdallah, der Kassierer des Ägyptischen Museums, hatte heute seinen schwarzen Tag. Zuerst tauchten diese vier jungen Touristen auf mit einer Horde Leute im Schlepptau. Nachdem die vier im Museum verschwunden waren, blieb er mit der aufgeregten Menge zurück. Nachdem er einigermaßen Ordnung in den Haufen gebracht und einen geordneten Rückzug organisiert hatte, verarztete er einige Rucksacktouristen, die immer noch nicht wussten, was eigentlich passiert war. Froh, dass alles ohne Anwendung von Gewalt geklappt hatte, ließ er sich schwer auf sein Stühlchen fallen und widmete sich seiner Zeitung. In diesem Augenblick kam Rassanow in die Halle gestürmt, einer der Wächter aus dem Obergeschoss, riss ihn vom Stuhl am Kragen hoch und schlug ihm kommentarlos ein blaues Auge. Abdallah flog quer durch den Raum und blieb einen Augenblick benommen liegen. Rassanow schimpfte noch irgendwas von einer Wodkadrossel und verschwand wieder.
    Mühsam rappelte Abdallah sich wieder auf. Was zum Teufel war bloß in Rassanow gefahren? Er betastete sein Gesicht, fühlte, wie sein Auge dicker und seine Stirn heißer wurde. Na, toll, dachte er, wie immer … Jedes Mal, wenn Abdallah im Stress war, bekam er eine Grippe. »Nervöse Hysterie-Grippe!« nannte sein Arzt das und erklärte, das sei ganz normal bei Hektikern wie ihm. Aber er war kein Hektiker; es war das Leben, das hektisch war und ihm immer wieder den nackten Hintern zeigte. Ein Thermometer, dachte er hektisch, ich brauche sofort ein Thermometer. Sein Blick fiel auf die kleinen komplizierten Apparaturen, die überall im Museum verteilt waren. Man überwachte damit ständig die Raumtemperatur und die Luftfeuchtigkeit im Gebäude, da die Ausstellungsstücke schon gegen die leisesten Schwankungen sehr empfindlich waren. Ein Blick nach links, ein Blick nach rechts, und schon war einer der kleinen Kästen in seiner Jacke verschwunden. Abdallah ging in die Personalküche und legte sich mit einem Eiswürfel auf dem schmerzenden Auge quer über einen der langen Tische. Dann packte er den Apparat aus, steckte sich den Fühler in den Mund und schloss die Augen. Die Aufregung, die vielen Menschen, die Schlägerei, die hochkommende Grippe – schon nach wenigen Minuten schlief er ein.
    »Abdallah – sind Sie wahnsinnig?«
    Abdallah schlug die Augen auf. Fast hätte er den Fühler des Temperaturmessers vor Schreck verschluckt. Vor ihm stand, rot vor Zorn, seine Chefin, die alle hinter vorgehaltener Hand nur »Presslufthammer« nannten und der man möglichst aus dem Weg ging. Selbst wenn sie zufrieden war, brüllte sie, dass die Scheiben klirrten, und ihre naturgemäß feuchte Aussprache fiel wie ein frischer Frühlingsregen auf ihre Opfer nieder. Seit sie vor zwei Jahren Großmutter geworden war, war sie immer ein bisschen kränklich, aber sie hätte um nichts in der Welt auch nur einen einzigen Tag auf der Arbeit gefehlt. In über dreißig Jahren Dienst war sie nur eine Woche krank gewesen … und sie ließ keine Gelegenheit aus, das zu sagen.
    »Oh, öh, hollo, isch hob nüscht …« Er merkte, dass er noch immer den Fühler im Mund hatte und nahm ihn verlegen heraus. »Ich, äh, ich hab nicht geschlafen, ich habe nur nachgedacht!«
    »Nachgedacht? Womit denn? Wissen Sie eigentlich, wie spät es ist?«
    Er sah auf seine Uhr – verdammt, das Museum machte in einer

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