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Im Zeichen der gruenen Sonne

Im Zeichen der gruenen Sonne

Titel: Im Zeichen der gruenen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Rothe
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»Unmöglich.«
    »Soll ich dir auf den Schoß kotzen?«
    Yassir blickte ihr für einen Moment in die Augen, als wolle er versuchen, sie zu durchschauen. Dann drehte er mit einem plötzlichen Ruck das Gesicht nach vorn und rief dem Fahrer zu, den Wagen anzuhalten.
    »Okay!«, knurrte ihr Yassir ins Ohr. »Wenn du dich übergeben musst – von mir aus! Aber beeil dich!« Möhre fühlte das Metall der Pistole in ihrem Rücken, als sie vom Wagen losmarschierten und durch den Sand auf die Dünen zugingen.
    »Also los!« Yassir schob Möhre ein Stück vor sich her. Als Möhre unüberhörbar würgte, blieb er stehen und drehte sich angeekelt weg.
    Darauf hatte Möhre nur gewartet. Mit der ganzen Kraft der Verzweiflung rannte sie los, kopfüber in die Nacht, sprang über den Kamm einer Sanddüne und kullerte hinunter. Schüsse wurden abgegeben, aber sie schlugen so weit entfernt ein, dass Möhre wusste, der Schütze hatte keine Ahnung, wo sie war. Halb eingegraben blieb sie am Fuß der Düne liegen und wagte kaum zu atmen. Aus der Dunkelheit hörte sie die Stimmen der Araber, dann wurde der Jeep angelassen und fuhr los. Möhre duckte sich, so tief sie konnte, als der Scheinwerfer des Wagens sie erfasste. Aber offenbar hatte sie niemand gesehen, denn der Jeep fuhr davon. Mit einem Seufzer der Erleichterung stand sie auf, klopfte sich den Sand ab und sah sich um. Sie war frei, aber sie war allein mitten in der Wüste. Um sich nicht zu verirren, beschloss sie, zurück zur Piste zu gehen. Aber schon nach wenigen Metern hatte sie das Gefühl, dass alles irgendwie gleich aussah. Wo war die verdammte Piste? War sie nicht eben schon mal an dieser Düne vorbeigekommen? Wenn sie sich bloß nicht verirrt hatte …

Getrennt
    »Danke fürs Mitnehmen!« Pit sprang aus dem Führerhaus des Lastwagens auf den Bürgersteig. Der Fahrer tippte an seine kleine Wollmütze, warf den qualmenden Zigarettenstummel aus dem offenen Fenster und stellte sein Radio wieder lauter. Kaum schlug Pit die große Wagentür zu, gab er schon Gas und fuhr los. Pit sah sich um … wo zum Donner war jetzt Alex?
    »Halt! Stopp!« Alex’ Kopf erschien auf der Ladefläche des Lastwagens. Alex trommelte mit den Fäusten gegen die Heckscheibe der Führerkabine. Mit einem Ruck blieb der Lkw stehen.
    »Danke, Meister!«, brüllte Alex gegen den Motorenlärm an, klemmte sich Toms Notebook unter den Arm und sprang über die hölzerne Brüstung auf die Straße. Dann verschwand der Laster im dichten Gewühl des Kairoer Verkehrs.
    Pit schüttelte entnervt den Kopf. »Was war jetzt wieder?«
    »Ich bin auf der Ladefläche eingepennt – is ja auch kein Wunder bei der Nacht, die wir hinter uns haben!«
    »Kann es sein, dass du ein bisschen strenges Aroma verbreitest?«
    »Hä?«
    »Du stinkst!«
    »Ach so, der Typ hatte wohl vorher Ziegen hinten auf seinem Lkw geladen! Können wir gehen?«
    Sie liefen durch die staubigen Straßen Kairos. Obwohl die Sonne noch nicht hoch am Himmel stand, stach sie den beiden schon heiß ins Gesicht. Sie überquerten die Nilbrücke Richtung Gesîra, der Insel, an der sie gestern die Kah festgemacht hatten. Gestern … das schien eine Ewigkeit her zu sein. Gestern waren sie noch zusammen gewesen, gestern hatten sie noch nichts von Menschenmassen gewusst, von kranken Großmüttern, von Schießereien und Kletteraktionen an Museumsfassaden und auf Pyramiden, gestern, so schien es, gestern waren sie andere Menschen gewesen.
    Möhres Absturz hatten sie zunächst gar nicht mitbekommen. Erst als sie keuchend auf der dunklen Seite der Pyramide standen, bemerkten sie, dass Möhre fehlte. Alex hatte geflucht und wieder zurückrennen wollen, aber Pit hatte ihn zurückgehalten, ihn an die Pistolen erinnert. Außerdem würden die Entführer Möhre bestimmt zu Tom bringen. Gemeinsam könnten sich die zwei vielleicht befreien. Aus der Deckung hatten sie den Jeep gesehen, der über die Straße Richtung Wüste jagte. Am Ende ihrer Kräfte, waren sie noch ein Stück weitergestapft und erschöpft neben einem großen Haufen Fell und Teppiche liegen geblieben. Wenig später waren sie eingeschlafen.
    Ein Geräusch, das sich anhörte wie eine Mischung aus dem Muhen einer Kuh und dem Laut einer Schiffssirene, riss die beiden gegen Morgengrauen aus dem Schlaf. Sofort waren sie auf den Beinen. Ein Kamel! Der Haufen Fell und Teppiche war ein schlafendes Kamel gewesen, gegen das sich die beiden in der Nacht gelehnt hatten. Wieder stieß es einen Schrei aus. Mühsam kam

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