Im Zeichen der gruenen Sonne
setzte sich auf und stopfte sich das Kopfkissen in den Rücken.
»Leider kann ich dir weder Käse noch Wurst anbieten«, sagte der Mönch. »Das ist eine unserer Grundregeln – fasten! Kein Fleisch, keine tierischen Produkte.« Er stellte das Tablett vor Möhre. Tee, Tomaten, Oliven und Brot.
»Guten Appetit!«
Und den hatte Möhre! Der Schlaf hatte ihr gutgetan, sie fühlte sich quicklebendig und mörderisch hungrig.
»Wo bin isch hier eigentlisch?«, fragte sie mit vollen Backen.
»In einem koptischen Wüstenkloster!«, antwortete der Mönch.
»Wo?«
»Bei den Kopten, den wahren Ägyptern. Wir sind die Nachfahren der großen, alten Ägypter, der Pyramidenbauer!«
»Baut ihr auch Pyramiden?«
»Oh nein, nein!« Der Mönch lachte auf und setzte sich an den Rand des Bettes. »Die Zeiten sind schon lange vorbei. Wir Kopten sind schon seit fast zweitausend Jahren Christen und damit die älteste christliche Gemeinde der Welt!«
»Und warum lebt ihr in der Wüste?«
»Na, weißt du, wenn du eine andere Religion als die meisten Leute um dich herum hast, ist das oft nicht einfach. Die Christen in Ägypten wurden schon vor Jahrhunderten verfolgt, und bis heute haben wir es nicht immer einfach. Gerade in den letzten Jahren, wo man doch meinen sollte, dass die Menschheit so langsam mal etwas lernt, geht es wieder los, und unsere Glaubensbrüder werden immer wieder Opfer von gewalttätigen Ausschreitungen. Unsere Vorfahren flohen deshalb in die Wüsten und gründeten Klöster wie dieses hier, wo wir bis heute unbehelligt unseren Glauben leben können. Und in so einem bist du jetzt. Wir hier sind Mönche. Hier, die schwarze Kutte, die ich trage, und den blauen Turban – ursprünglich haben uns die Moslems gezwungen, diese Sachen zu tragen, damit man die Kopten immer erkennt. Aber das ist lange her, und jetzt tragen wir diese Kleidung mit Stolz. Hast du nie von uns gehört?«
Möhre schüttelte stumm den Kopf und biss in das Fladenbrot.
»Woher kommst du?«
»Ausch Deutschland!«, schmatzte Möhre und spülte den Bissen Brot mit Tee herunter.
»Was um alles in der Welt hast du bloß alleine in der Wüste gemacht?«
»Ein paar Soldaten haben mich entführt, und ich bin mit ’nem Trick abgehauen!«
Der Mönch lächelte, knipste ein Auge zu und goss Möhre aus einer großen Kanne frischen Tee nach. »Natürlich, natürlich. Jetzt aber mal im Ernst: Was hast du allein in der Wüste gemacht, hm?«
»Die Soldaten haben mich in ’nem Jeep durch die Wüste gefahren. Die wollten mich zu irgendeinem Typ bringen – Kero-Sin hieß der, und dann bin ich …«
Klirr! Dem Mönch war vor lauter Schreck die Teekanne aus der Hand gefallen.
»Zu wem wollten sie dich bringen?«
»Kero-Sin hieß der, kennen Sie ihn?«
Der Mönch presste die Lippen zusammen. Er zitterte am ganzen Leib, kalter Schweiß stand auf seiner Stirn. »Entschuldige mich für eine Sekunde!«, stammelte er verwirrt und wankte hinaus.
Möhre hob das Tablett hoch und stellte es auf den Fußboden. Offenbar erübrigte sich die Frage, ob der Mönch Kero-Sin kannte. Der Ausdruck in seinem Gesicht war deutlich genug gewesen. Sie musste diesen Kero-Sin finden, das wusste sie sicher. Es war das Erste, was ihr durch den Kopf geschossen war, als sie erwachte. Kero-Sin hatte Tom in seiner Gewalt, das war klar. Aber es gab noch einen anderen Grund: Wenn er ihr nur einfiele …
Sie war sicher, dass sie Kero-Sin treffen musste, aber was sie genau von ihm wollte, fiel und fiel ihr nicht mehr ein. Immer wenn sie darüber nachdachte, drängte sich ein anderes Bild dazwischen, und sie dachte ausgerechnet an Golf! Wieso zum Teufel Golf? Sie hatte in ihrem Leben noch nie Golf gespielt, und sie kannte auch niemanden, der das tat. Vielleicht hatte der andere Grund, warum sie Kero-Sin finden musste, was mit Golf zu tun. Aber das war ja Quatsch!
Durch ein schmales Fenster konnte sie hinausblicken. In einiger Entfernung lag eine kleine Oasensiedlung – flache lehmbraune Hütten, die dort im Schatten der Palmen lagen und eine Wasserstelle umrundeten. Möhre konnte jetzt sehr gut verstehen, warum Wasser das Gold der Wüste war.
Sie schlüpfte aus dem Bett und lief barfuß zum Fenster, um mehr zu sehen. Sie war tatsächlich noch immer in der Wüste, weit, weit weg von ihren Freunden und von zu Hause. Aber sie fühlte sich stark, so stark, dass sie das Gefühl hatte, vor Kraft überzuquellen. Sie wusste ganz sicher, sie würde die anderen finden, und sie würden sicher
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