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Im Zeichen der gruenen Sonne

Im Zeichen der gruenen Sonne

Titel: Im Zeichen der gruenen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Rothe
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als würde er Tom nicht bemerken. Fröhlich pfeifend beschnitt er mit einer Gartenschere seine Rosen. Ein kleines zwitscherndes Vögelchen flatterte von Blüte zu Blüte, erfreut, einen solch paradiesischen Garten in der sonst so trostlosen Einöde gefunden zu haben. Der Mann, seinerseits über die Anwesenheit des kleinen Vögelchens hocherfreut, klatschte in die Hände, worauf einige Diener sofort ein schweres Holzkatapult heranschoben. Nach wie vor fröhlich pfeifend lud der Mann sein Katapult mit einem Felsbrocken, zielte kurz und ließ den Stein durch die Luft schleudern. Das Vögelchen flötete ein letztes Mal, bevor der Felsbrocken es unter sich begrub und dafür sorgte, dass man es in Zukunft als Lesezeichen verwenden könnte. Alle Diener und Wachen spendeten dem Mann reichlich Applaus, aber dieser wehrte bescheiden ab. Dann wandte er sich wieder pfeifend seinen Rosen zu.
    »Na, und wen haben wir hier?«, fragte er mit zuckersüßer Freundlichkeit und ohne den Blick von den Rosen zu nehmen.
    Ich bin Tom, und wer bist du?, dachte Tom und schwieg weiter.
    »Du willst wohl nicht reden, wie? Aber, aber … ich bin doch nur der Onkel Kero-Sin, und wenn du nett zu mir bist, bin ich auch nett zu dir! Magst du Rosen?«
    Steck sie dir sonstwohin … dachte Tom und würdigte diesen Kero-Sin keines Blickes.
    »Oh, jetzt schaust du mich nicht einmal an … aber wenn du nicht nett zu mir bist, DANN KANN ES PASSIEREN, DASS ICH GANZ FÜRCHTERLICH BÖSE WERDE UND DICH FRIKASSIERE, KLAR???« Vollkommen unvermittelt hatte Kero-Sin mitten im Satz cholerisch losgebrüllt. Sofort schienen alle Diener und Soldaten ganz klein zu werden, der Zorn des Kero-Sin war berüchtigt.

    Kero-Sin schien nach Atem zu ringen. Er rollte mit den Augen, und die Adern auf seiner Stirn traten hervor. »Er macht mich böse, oh, wie macht er mich böse!«, zischte er vor sich hin.
    Ein Tuscheln ging durch die Reihen der Bediensteten. Alle waren schreckensbleich. Ein kleines Männlein, dessen Turban mindestens vier Nummern zu groß war, klatschte aufgeregt in die Hände. Eine Tür flog auf, und vier Männer stürzten mit einer reich geschmückten Sänfte auf ihren Schultern herein. Darauf saß ein Junge in Toms Alter, gekleidet wie ein Märchenprinz. Tom schnappte unwillkürlich nach Luft. Der magische Kasten – das fehlende Maschinenteil Ka-newas – der Junge hielt es in der Hand!
    Die Sänfte wurde abgesetzt. Kero-Sin war mittlerweile hochrot angelaufen, keuchte, japste und wiederholte immer wieder: »Er macht mich böse, wahnsinnig böse …!«
    Der Junge war aus der Sänfte gestiegen und hielt die Hand an das Maschinenteil. Tom wollte schon in Deckung gehen – aber der kleine Kasten erzitterte nur leicht, und das Sonnensymbol flackerte einmal kurz grün auf. Ein winziges Licht wie ein Funke stieg auf und verwandelte sich in der Luft in eine Miniregenwolke. Der kleine Mann mit dem viel zu großen Turban holte einen goldenen Kelch aus den Tiefen seines faltenreichen Gewandes und hielt ihn unter die Wolke. Plätschernd regnete es in den Becher, bis er voll war. Dann verschwand die Wolke.
    Mit einem Zug leerte Kero-Sin den Kelch. Anschließend rülpste er laut. Zufrieden ließ er den Becher zu Boden fallen und lächelte. Der Anfall war vorüber … und prompt legte Kero-Sin wieder seine scheinheilig-schleimige Freundlichkeit an den Tag. »Ich bin Aquaholiker – total wasserabhängig! Ich weiß, das ist vielleicht nicht richtig, aber ich liebe es nun mal. ICH LIEBE ES!!!« Das schrie er wieder. »Entschuldigung …!«
    Tom war alles klar … Dieser Typ hatte eindeutig nicht mehr alle Tassen im Schrank. Aber er war reich, und bei reichen Leuten heißt das nicht »total bescheuert«, sondern »exzentrisch«, was im Prinzip dasselbe meint, aber höflicher formuliert ist. Wie auch immer, vor solchen Kerlen muss man sich in Acht nehmen – sie lächeln einen freundlich an, während sie dir die Kehle durchschneiden, um gleich dein Blut zu schlürfen.
    »Das Wasser hat mich so reich gemacht, wie ich bin! Aber so böse, so richtig böse bin ich schon immer gewesen. Schon in der Schule konnte ich ein richtiges Ekelpaket sein. Und heute bin ich reich und kann tun und lassen, was ich will. Und wer mich reizt, bereut’s! Also, mach’s Maul auf und rede endlich! REDE, DU INSEKT!!!«
    Der kleine Mann mit dem übergroßen Turban meldete sich sehr, sehr vorsichtig zu Wort. »Äh, verzeiht mir meine unendliche Dreistigkeit, o Gebieter über die Gezeiten

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