Im Zeichen der gruenen Sonne
alle hier sind auf sein Wohlwollen angewiesen!«
»Diese Fleischbällchen, Junge, Junge, sind die lecker!« Möhre nahm sich noch eines. »Was Kero-Sin angeht – warum schaffen Sie ihn sich nicht vom Hals? Sie müssten nur ein paar Ihrer Männer auf unsere Kamele setzen, und bei Sonnenaufgang …«
Der Alte lachte auf. »Wie stellst du dir das vor? Rechtschaffene Moslems auf koptischen Kamelen? Das war noch nie da!«
Möhre seufzte tief, schob die Schüssel von sich und wischte sich den Mund. Also, das Ganze noch mal! Sie stellte sich hin. »Ich habe nicht das Recht, etwas von euch zu fordern oder euch um etwas zu bitten«, begann sie leise und ruhig.
Eine knappe Stunde und unzählige Nieser später saß Tom allein auf einem Strohballen. Er hatte sein Hemd ausgezogen und um sein Gesicht gebunden, um so wenig Staub wie möglich einzuatmen, aber es war umsonst. Seine Augen waren feuerrot und tränten, er sah die dunkle Scheune und die bis zur Decke hochgestapelten Strohballen nur durch einen wässrigen Schleier.
Das Quietschen der Tür ließ ihn hochschrecken. Soldaten? Kero-Sin? Was hatten diese Dreckskerle sich jetzt schon wieder ausgedacht?
»Hier«, sagte eine Stimme zu ihm. »Zieh das über!« Tom wischte sich mit einem Hemdzipfel das Wasser aus den Augen. Vor ihm stand der Junge, der vorhin das Maschinenteil in den Händen gehalten hatte. Er hielt Tom eine Brille und einen Mundschutz hin. »Die Brille schließt dicht am Gesicht ab! Verpetz mich bloß nicht, wenn das rauskommt, bin ich geliefert!«
Dankbar zog Tom Brille und Mundschutz über. Ein bisschen sah er jetzt aus wie ein Monsterinsekt von einem anderen Stern.
»Wer bist du?«, wollten beide gleichzeitig voneinander wissen.
»Ich …«, fingen beide wieder an und verstummten im nächsten Moment.
Schweigen.
Der fremde Junge räusperte sich umständlich. »Also, ich fang dann mal an, ja?«
Das Monsterinsekt vom anderen Stern nickte.
»Ich bin Ismael, ich komme aus Kairo und bin das Hofmedium!«
»Medium?«, wunderte sich Tom. »Soll das heißen, dass du halb durchgebraten bist oder was?«
»So’n Quatsch! Nee, ich vermittel die Wünsche Kero-Sins an die Maschine!«
»Wenn du hier so ’nen tollen Job hast, warum hilfst du mir dann?«
»Du bist seit langem der Erste in meinem Alter, den ich treffe. Ich wollte bloß ein bisschen quatschen!«
»Hast du eigentlich ’ne Ahnung, was für ’ne Maschine du da bedienst?«
Ismael ließ sich auf einen Strohballen fallen, zog einen Halm daraus hervor und kaute auf ihm herum. »Ich bin in alle Geheimnisse des Meisters eingeweiht. Diese Maschine gibt ihm die Macht über das Wasser!«
»Nicht ihm – dir!«
»Du machst mir Spaß, was glaubst du eigentlich, was Kero-Sin mit mir anstellt, wenn ich was anderes wünsche, als er verlangt?«
Plötzlich hörten sie Schritte. Ismael riss Tom Brille und Maske vom Gesicht und sprang hinter den Strohballen in Deckung. Im nächsten Moment wurde die Tür aufgestoßen, und Kero-Sin stand im Rahmen. Der Hofschmeichler stand daneben und putzte ihm unterwürfig den Staub von den Pluderhosen.
»Na, Kleiner, hast du die Nase voll?« Kero-Sin grinste hämisch, und der Hofschmeichler brach pflichtschuldig in Gegacker aus.
»Hast du die Nase voll – köstliches Wortspiel, haha! Oh, Ihr seid so geistreich, Herr, huahua!«
»Hofschmeichler, halt die Klappe!«
»Natürlich, mein heiß geliebter Herr, ich bin dumm und unwürdig!«
»Bist du jetzt endlich still …?«
»Oh, verzeiht, wenn ich auf Eurem erlauchten Nervenkostüm herumtrampele wie ein Kamel in der Wüste. Ich bin der Sohn einer Ratte, Herr, nicht würdig, Euren heiligen Hintern zu putzen, zu dumm, einen Eimer Wasser auszuschütten.«
»Soll ich dir die Zunge herausschneiden und dir den Kopf abschlagen, Blödmann?«
Sofort fiel der Hofschmeichler auf die Knie und überschüttete die Pantoffeln seines Herrn mit Küssen. »Nichts Erbaulicheres könnte ich mir vorstellen, als durch Eure Hand massakriert zu werden, doch bedenkt, Herr der weisen Entscheidungen und begrenzten Finanzen, ich bin ein Diplom-Schmeichler von der Universität Kairo, und meinesgleichen findet man nicht an jeder Straßenecke. Die Kosten für meinen Nachfolger wären …«
»Schon gut, schon gut!«, grummelte Kero-Sin ärgerlich. »Steh endlich auf und versuch mal für ’ne Minute die Klappe zu halten. Das ist ein Befehl!«
Der Hofschmeichler stand auf und schwieg.
»Also, Kleiner! Redest du jetzt?«
»Hatschi!«,
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