Im Zeichen der gruenen Sonne
und ruhmreicher Zermatscher unzähliger Singvögel, aber Eure Vergesslichkeit haben vergessen, den Knaben vorher etwas zu fragen!«
Kero-Sin stand ganz offensichtlich wieder kurz vor einem seiner Anfälle. Er zischte den kleinen Kerl an. »Reize mich nicht, Hofschmeichler, sonst kann ich sehr böse werden. Wirklich, sehr böse!«
»O Herr über Millionen Sandkörner, dessen Ruhm bis in die Weiten des Universums strahlt, selbst in Eurer Wut seid Ihr ein gar zu erbaulicher Anblick. Ein Vorbild für uns Gewürm, die wir uns im Glanze Eures Lichts sonnen dürfen!«
Die geflöteten Worte des Hofschmeichlers besänftigten Kero-Sin wieder ein wenig, ja, sogar ein kleines Lächeln erschien wieder um seinen Mund.
Der Schmeichler verneigte sich so tief, dass er mit der Nasenspitze fast seine Fußspitzen berührte. »O Herr, dessen Fackel des Wissens uns einsame Dummköpfe erstrahlen lässt, dessen Schönheitssinn …!«
»Danke, Schmeichler, das genügt!« Zufrieden kniff Kero-Sin in Toms Wange. »Na, Kleiner, jetzt erzähl dem Onkel Kero doch mal, wieso du dich für das Relief im Museum interessierst, hm? Und sogar übersetzen wollte der kleine Schlingel es, ts, ts.«
Also darum geht’s dem Fettsack, dachte Tom, er hat Angst um sein Maschinenteil!
»Na, willst du immer noch nichts sagen? Wie dumm für dich, glaub mir, ich werde dich zum Sprechen bringen … und es wird mir Vergnügen bereiten, grrrrrroßes Vergnügen sogar!« Kero-Sin winkte einen Soldaten heran und lächelte Tom böse an. »Meine Wachen haben mir erzählt, dass du nicht gut auf das Stroh in deinem Verlies zu sprechen bist!«
Sein Heuschnupfen – den hatte Tom ganz vergessen. Seit er aus der Zelle raus war, ging’s ihm gleich viel besser!
»Nun, Kleiner, du hast Glück, du wirst die nächste Nacht nicht in deiner Zelle verbringen!«
Das ist doch was, dachte Tom, aber wie man Fettklops einschätzen musste, kam das dicke Ende noch.
»Wache!«, befahl Kero-Sin. »Bring den Jungen in die Scheune … und gib ihm ein paar Taschentücher für die Nacht!«
Prost. Dass Kero-Sin nicht gerade ein besonders umgänglicher Typ war, war Tom schon aufgefallen, aber die Idee mit der Scheune war so ziemlich das abgefahren Mieseste, was er je gehört hatte. Kero-Sin kniff ihm ein zweites Mal freundschaftlich in die Wange.
»Gute Nacht, mein Kleiner! Ich muss jetzt leider los, ein paar Leibeigenen zuwinken. Lästige Pflichten, ja, ja, aber ich kann hier und da einmal einen auspeitschen. Glaub mir, das tut mir genauso weh wie ihnen, aber gerade darum mag ich’s ja so. Tschauiii!« Er winkte mit seinen fetten Wurstfingern und rauschte davon.
Möhre war selbst überrascht über ihre Rede. Sie hätte nie gedacht, dass sie in der Lage war, solche Worte zu finden. Aber es war einfach aus ihr rausgesprudelt, ohne dass sie lange darüber nachgedacht hätte. Und der Erfolg war erstaunlich, sie hatte mit wenigen Sätzen die Mönche auf ihre Seite gezogen. Drei von ihnen waren so begeistert, dass sie beschlossen, mitzukommen und gegen Kero-Sin zu kämpfen. Sie hatten ihr einen blauen Turban geschenkt, den Möhre stolz um ihren Kopf band.
Allein das Kamel überhaupt zu besteigen, war schon ein Problem für sich, aber oben zu bleiben war noch viel schwieriger. Jetzt wusste Möhre, warum man das Kamel »Wüstenschiff« nannte: Es schaukelte und schlingerte wie die Kah bei schwerer See. Aber man kam voran. Schnell voran. Wirklich sehr schnell sogar! Möhre musste sich gut festhalten. Die Erde donnerte unter den Hufen der Kamele, und die Landschaft flog geradezu an ihr vorbei. In kürzester Zeit erreichten sie die Oase.
Dattelpalmen umringten die Oase, ein kreisrunder See mit glasklarem Wasser. Die Hütten aus Lehmziegeln waren die Unterkünfte der Obst- und Dattelbauern und ihrer Familien. Die Menschen waren nicht besonders reich, und ohne das Wasser war es ihnen nicht möglich, für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Das Wasser war auch hier die Quelle allen Lebens.
Als sie über die einzige Straße des Dorfes einritten, stürmten ihnen zuerst unzählige Kinder entgegen, rannten neben den Kamelen her und winkten mit viel fröhlichem Geschrei: »Es-salamu-alekum!« Guten Tag!
Die Begrüßung der erwachsenen Oasenbesucher war nicht ganz so freundlich. Die Angst vor Kero-Sin und seinen Leuten hatte das Misstrauen vor Fremden geschürt, und die Männer und Frauen beobachteten jede Bewegung der kleinen Karawane. Ein alter Mann in schmutziger Galabiya stand mitten auf der
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