Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)
tun.“
„Was für Dinge?“ Ihre Stimme hallte hohl in ihrem Kopf wider.
Marek atmete tief ein und zwang sich, Rhia ins Gesicht zu sehen. „Einige der Sklaven, die Männer, die ihr gefallen haben, sie … wir …“
Eine kalte Faust griff nach ihrem Herz. „Marek?“
Er schloss die Augen. „Ich erzähle alles falsch. Niemand hat mich gezwungen. Ich hätte auch sterben können. Ich wäre lieber gestorben, das schwöre ich dir.“ Er sah sie an. „Aber sie hat gesagt, sie schickt Nilik fort, wenn ich ihr nicht … im Bett zu Diensten bin.“
Rhia ließ ihn los und trat einen Schritt zurück. Sie wollte sich abwenden, wollte fortrennen und sich unter einem Stein verkriechen. Aber wenn es stimmte, was er sagte, klang es so, als ob …
„Sie hat dich vergewaltigt“, flüsterte Rhia.
„So einfach ist es nicht. Sie hätte mich nicht zwingen können.“ Er bedeckte sein Gesicht wieder mit den Händen und sah aus, als wollte er sich die eigene Haut abreißen. „Rhia, ich habe meine Seele verloren. Es war der einzige Ausweg.“
„Nein …“ Sie ließ sich auf die Knie fallen, und Tränen ließen ihre Sicht verschwimmen. „Ich sehe dich noch. Ich fühle dich.“ Sie hielt sein Gesicht in ihren Händen. „Du bist hier. Alles von dir.“
Er packte ihre Handgelenke, als wollte er sie von sich stoßen. „Vergib mir.“
„Schsch.“ Sie strich ihm das Haar aus der Stirn und küsste ihn. „Es gibt nichts zu vergeben.“
„Tu es trotzdem.“
Rhia sah ihm in die Augen, auch wenn der Schmerz sie zerriss. „Marek, ich vergebe dir. Ich liebe dich für das, was du getan hast. Du hast es getan, um Nilik zu retten.“ Sie klammerte sich an ihn. „Bitte, lass nicht zu, dass es dich vernichtet.“
Rhia küsste ihn, und er erwiderte den Kuss. Sie versuchte, nicht daran zu denken, wo sein Mund gewesen war, wessen Haut er geschmeckt hatte. Die Wildheit von Mareks Kuss verriet ihr, dass Wolf noch darauf wartete, ihn zurückzunehmen, sobald er dafür bereit war. Aber es war ihr egal. Ob Fuchs oder Wolf, er war Marek, und er war wieder bei ihr.
Sie lösten sich voneinander, und sie fuhr seine Mundwinkel mit dem Daumen nach und fragte sich, ob er sie je wieder zu einem Lächeln oder einem spöttischen Grinsen verziehen würde. Plötzlich erfasste sie kalte Wut. „Wo ist diese Frau?“, fragte sie. „Ich bringe sie um.“
„Das habe ich schon getan.“
Sie glaubte, einen Funken des Bedauerns in seinen Augen sehen zu können. „Gut.“
„Es war ein Unfall, auch wenn ich seit Wochen von nichts anderem mehr geträumt hatte. Ich wollte sie fast so sehr umbringen, wie ich selbst am Leben bleiben wollte.“
„Du klingst, als täte es dir leid.“
„Rhia, ich habe im letzten Jahr drei Menschen umgebracht. Vielleicht war es gerechtfertigt, aber ich kann nicht vergessen, wie das Licht in ihren Augen verloschen ist.“
„Ich weiß.“ Auch wenn sie selbst nie ein Leben genommen hatte, Krähe hatte in ihrer Gegenwart mehr Menschen aus dieser Welt geholt, als sie zählen konnte. „Jeder von ihnen hinterlässt eine Spur. Die Toten dieses Krieges werden uns noch lange nach seinem Ende heimsuchen – falls er je endet.“ Rhia stand auf. „Aber jetzt ist es Zeit, ihnen noch einige weitere hinzuzufügen.“
38. KAPITEL
A lanka presste die Stirn von hinten gegen Filips Schulter und wartete auf das Zeichen. Im Schutz des dunklen Waldes warteten sie auf der schwarzen Stute, die ungeduldig mit den Hufen scharrte. Filip murmelte einige unverständliche Worte, und das Pferd beruhigte sich.
Bei dem Gedanken, in die Schlacht zu reiten, beschleunigte sich Alankas Herzschlag, auch wenn sie wusste, dass sie es für ihre Familie tat, für ihr Volk und für ihr Land. Sie würde niemanden enttäuschen.
Filip legte ihr die Hand aufs Knie. Sie bedeckte sie mit ihrer eigenen.
Vor ihnen, zwischen den Bäumen, schimmerte die Straße nach Surnos grau im Abendlicht. In den Wäldern auf der anderen Seite warteten Adrek und Bolan auf dem dunklen braunen Pony, dessen weißer Stern und die Abzeichen an den Fesseln mit Teer getarnt waren, um in der Dunkelheit nicht aufzufallen. Marek, Arcas und Lycas lagen in einem Graben auf der anderen Seite der Straße.
Alanka und Filip hörten die Wagen im selben Moment. Sie merkte es daran, dass er sich verspannte. Das Wimmern der Kinder war noch über dem Quietschen der Wagenräder und dem Klopfen der Hufe hörbar.
Weit auf ihrer Rechten traten Koli und Rhia auf die Straße und führten ihre
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