Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)
auszusehen, wie er sich fühlte.
„Mein Geist ist der Falke“, fuhr Galen jetzt fort und berührte seinen Fetisch, die Feder mit der roten Spitze. „Zu meiner Magie gehören die akkurate Wiedergabe von Szenen und gesprochenen Worten, was mich zum idealen Nachrichtenüberbringer macht – sowohl zwischen Menschen als auch zwischen Mensch und Geist.“ Er neigte den Kopf. „Ich diene als geistiger und politischer Führer. Meine Weisheit zielt darauf ab, die Gaben von anderen zu bestimmen, weswegen ich heute hier bin.“
Filips Schultern verspannten sich bei dem Gedanken an seine eigene Gabe. Sie war das Letzte, worüber er sprechen wollte. Er wandte sich an Tereus und betrachtete die schmutzige weiße Feder, die er trug. „Was ist mit Ihnen? Was ist Ihre Gabe oder wie man es auch nennt?“
Tereus neigte den Kopf in einer Demut, die ehrlicher schien als die seines Begleiters. „Ich bin ein Schwan. Ich interpretiere Träume.“
„Davon kann man hier leben?“
Der Mann lachte. Das schien er oft zu tun, gemessen an den Falten um seinen Mund und dem natürlichen Funkeln in seinen blauen Augen. „Leider nicht. Ich habe eine Farm, auf der ich Wolfhunde und Pferde züchte.“
Filips Augenbraue zuckte bei dem letzten Wort, und er wandte sich ab.
Galen beugte sich vor. „Hast du eine Vorliebe für Pferde?“
Filip starrte auf den Steinweg neben seinem Stuhl und spürte, wie seine Kiefer sich derart anspannten, dass er fast einen Krampf bekam. „Ich war Offizier der Kavallerie.“
Bolan keuchte auf. „Du hast Pferde in die Schlacht geführt?“ Er sah zu ihm auf. „Das ist eine Ehre, die nur den klügsten Männern aus den besten Familien zuteilwird.“
„Können sie sich nicht verletzen?“
„Wer?“
„Die Pferde.“
„Sie tragen eine Rüstung, genau wie wir.“
„Aber sie werden trotzdem verletzt und getötet?“
„Bolan, nicht jetzt.“ Beschwichtigend hob Galen die Hand. Ihm schien aufzufallen, dass er die Kontrolle über die Situation verlor. Erneut wandte er sich an Filip. „Ich komme zur Sache. Wir glauben, dass Pferd dir seine Gabe geschenkt hat.“
Filip verzog herablassend den Mund. „Und was im Namen aller Götter soll das bedeuten?“
„Der Geist des Pferdes hat dich auserwählt und dir die Fähigkeit geschenkt, die Bedeutung hinter den Stimmen der Tiere zu verstehen.“
Filip erschauerte. „Woher wisst Ihr das?“
„Bolan, ebenfalls ein Pferd, ist Zelias Sohn. Er kennt die Zeichen. Die Art, wie du seinen Hund ansiehst, zum Beispiel.“
„Ich sehe seinen Hund nicht an.“
„Ganz genau.“ Missmutig runzelte Bolan die Stirn. „Ignorieren bringt sie auch nicht zum Schweigen, richtig?“ Er beute sich vor und flüsterte verschwörerisch: „Die Vögel sind am schlimmsten.“
Filips Augen wurden groß. Dann sah er wieder zu Galen.„Und was habe ich davon, zu wissen, dass ich diese Pferdesache bin? Die Tiere verstehen mich nicht, wenn ich ihnen antworte. Ich kann sie nicht mal zum Schweigen bringen.“
Galen breitete seine Hände auf dem Tisch aus. „Du wirst ihre Gespräche erwidern können, wenn du in deine zweite Phase eintrittst.“
„Hervorragend“, antwortete er sarkastisch. „Und wie mache ich das?“
„Ehe du dich der Gabe deiner ersten Phase bemächtigen kannst, musst du dich deiner Weihung unterziehen.“
„Aber wie gelange ich in die zweite Phase?“
„Du musst ein Kind zeugen. Bolan ist gerade zu einem Pferd zweiter Phase geworden.“ Bolan hob eine Augenbraue, ein subtiles Zeichen, vor Filip mit seiner Fruchtbarkeit anzugeben. „Er wird dir beibringen, wie man eure Gabe benutzt“, sagte Galen.
„Für was benutzt?“
Galen bedeutete Tereus, zu sprechen. Der Mann, der sich selbst einen Schwan nannte, stützte seine Ellenbogen auf den Tisch und legte seine Fingerspitzen aneinander. „Zelia hat mir erzählt, dass du bereit bist, das Krankenhaus zu verlassen. Du wirst hierher zurückkommen, um dir eine Prothese anpassen zu lassen, sobald sie fertiggestellt ist, und wenn dein Bein genug verheilt ist, um …“
„Es ist kein Bein“, gab Filip wütend zurück, „und es wird nie mehr heilen.“
„Dann eben, wenn die Fäden gezogen sind. In der Zwischenzeit musst du irgendwo wohnen.“
Filip knirschte mit den Zähnen. Jetzt war er auf Almosen angewiesen – und das auch noch von seinem Feind.
„Wie ich bereits erwähnt habe“, sagte Tereus, „habe ich eine Farm mit Hunden und Pferden. Ich lebe dort allein, und …“
„Das nennt ihr
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