Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)
fett.“
Rhia grinste. „Ich erzähl ihr, was du gerade gesagt hast.“
„Tu das, und ich drehe dir den Hals um.“
„Kinder, vertragt euch.“ Tereus führte die Ponys weiter ins Dorf. „Ich bin kein Experte, Rhia, aber dafür, dass du im vierten Monat bist, bist du noch sehr schmal. Wie geht es dir?“
„Als könnte ich den Beros-Berg in einer Stunde besteigen.“ Im Gehen schwenkte sie die Arme, und die kühle Herbstluft verlieh ihr noch mehr Energie. Nach drei Monaten unruhigen Schlafes waren die Stimmen der Toten verstummt, selbst die des rachsüchtigen Skaris. Zwar beschäftigte sie noch immer ihr Unterbewusstsein, machte sie aber nicht mehr krank. „Endlich kein Kopfweh mehr, kein Schwindel, kein Erbrechen – das ist wahrscheinlich mehr, als du wissen wolltest.“
Sie verstummte, als sie merkte, dass sie mit sich selbst redete.
Hinter ihr waren Tereus und Lycas stehen geblieben und starrten hinauf in das Netzwerk aus Baumhäusern, das sichüber ihren Köpfen erstreckte.
„Es ist unglaublich.“ Lycas sah zu Rhia. „Aber so leer.“
Ihr Gesicht verdüsterte sich. Einige Augenblicke lang hatte das Glück, ihre Familie wiederzusehen, die täglichen Schatten der Wirklichkeit vertrieben.
„Gibt es Nachricht von den asermonischen Rettern?“, fragte sie.
Tereus schüttelte traurig den Kopf. „Sie haben Velekos vor über zwei Monaten verlassen“, sagte er. „Der Falke hat Nachricht geschickt, als sie in Leukos angekommen sind.“
„Das haben wir gehört. Und danach?“
„Nichts.“ Er verzog den Mund. „Der Falke ist verstummt.“
Eine eiserne Faust schien Rhias Magen zu umschließen. „Ist er tot?“
„Vielleicht nicht“, erwiderte Lycas. „Er hat gerade erst die Gabe der dritten Phase erlangt, auch das könnte zu Verständigungsproblemen führen.“
„Es gibt noch eine Möglichkeit.“ Tereus neigte den Kopf. „Galen denkt, unsere Kräfte verringern sich in jenem Land. Der Falke aus Velekos ist also vielleicht einfach verstummt.“
„Warum sollte Galen das glauben?“
Tereus und Lycas tauschten einen Blick. Ihr Vater sagte: „Lass mich dir von Filip erzählen.“
Sie führten die Ponys in das neue Gatter und den Stall, der sich darin befand, während Tereus erzählte. Rhia war fasziniert, von dem Nachfahren zu hören, der schon nach kurzer Zeit in Asermos seinen eigenen Geist erhalten hatte.
„Wenn unsere Magie im Land der Nachfahren verblasst“, sagte sie, „bedeutet das, die Geister haben dort keine Macht?“ Die Vorstellung beunruhigte Rhia. Andererseits war das die tröstlichere Erklärung für das Schweigen des Falken als sein Tod.
„Wir wissen es noch nicht“, antwortete Tereus, „und ohne noch mehr Falken der dritten Phase auszuschicken, die wir nicht haben, können wir die Theorie nicht überprüfen. Filip hat uns geholfen, aber ich bezweifle, dass er je zu einem von unswerden wird. Er weigert sich, über eine Weihung zu reden.“
Sie betraten das Gatter und banden die Ponys an. „Erzähl ihr die größeren Neuigkeiten“, sagte Lycas.
Tereus warf seinem Stiefsohn einen finsteren Blick zu. „Ich sagte, wir warten damit bis nach der Hochzeit, damit alle es hören können.“
„Was können denn wichtigere Neuigkeiten sein als der Verlust des Rettungstrupps“, wollte Rhia wissen, „oder der Tatsache, dass unsere Macht vielleicht im Land der Nachfahren verblasst?“
Tereus legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Vergib mir, Rhia, aber erst muss ich mich mit den kalindonischen Schwänen besprechen.“
Sie keuchte auf. „Häufige Träume? Eine Prophezeiung?“ Sie ließ den Blick zwischen den beiden Männern hin und her wandern. „Sind es gute Nachrichten? Schlechte? Schlechte, nicht wahr?“
„Nein, sie sind gut.“ Tereus blickte auf das leere Kalindos. „Wenn es so ist, wie ich denke, dann ist es genau das, was unser Volk braucht.“
Am darauffolgenden Morgen wurden Marek und Rhia getraut. Normalerweise kamen zu kalindonischen Hochzeiten nur wenige Gäste, was man von dem Gelage danach nicht behaupten konnte. Dazu setzten die meisten Dorfbewohner sich an die Tische und taten so, als wären sie von Anfang an dabei gewesen.
Doch heute standen die Zuschauer dicht gedrängt auf der Lichtung, auf der die Zeremonie abgehalten wurde, und jubelten und weinten, als Braut und Bräutigam ihren Schwur mit einem Kuss besiegelten. Nach der Invasion und dem entbehrungsreichen Sommer hatten die Kalindonier das Bedürfnis, das Leben zu feiern – selbst wenn
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