Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)
sprechen“, sagte er. „Sofort.“
Rhia regte sich in seinen Armen. „Marek, was hast du vor?“
„Ich bin gleich wieder da.“ Er löste sein Bein von ihr und stand auf. „Alanka, halt du sie aufrecht, während ich weg bin.“
„Du lässt mich allein?“ Rhia riss die Augen auf. „Jetzt?“
„Ich tue es für dich“, beruhigte er sie und glitt aus der Tür.
Im Wartebereich standen Coranna und Damen auf, als er eintrat. Marek ging so schnell auf Coranna zu, dass sie zurückwich.
„Versprich mir, dass du es dieses Mal tun wirst“, sagte er zu ihr.
„Was tun?“
„Mein Leben für ihres und das des Kindes tauschen, wenn sie sterben.“
„Marek, das kann ich nicht.“
„Ich lasse nicht zu, dass du mich hintergehst, wie du es bei Kalia getan hast. Wenn etwas passiert, bringst du sie zurück, und du benutzt zum Freikaufen von Krähe meine Zeit auf Erden.“
„Du verstehst nicht.“ Damen trat vor. „Sie kann Rhia nicht zweimal zum Leben erwecken.“
Verwirrt sah Marek zwischen den beiden hin und her. „Seit wann?“
„Schon immer“, erwiderte Coranna ruhig. „Du erinnerst dich, wie Rhia fast noch einmal gestorben wäre, als sie sich von ihrer Wiederbelebung auf dem Berg erholt hat?“ Er nickte, und sie legte ihm eine Hand auf den Arm. „Ich habe gesagt, ich kann sie nicht ein zweites Mal zurückbringen, und ich meinte, für immer, nicht nur an jenem Tag.“
Marek fuhr sich übers Gesicht. „Dann nimm meine Zeit für Nilik. Wenn er es nicht schafft.“
„Marek, er ist so jung. Wenn er ein langes Leben führen soll, kann dich das umbringen.“
„Mein Leben ist mir egal.“
„Rhia ist es nicht egal.“ Corannas Stimme wurde hart. „Wie würde sie sich fühlen, wenn ich ihr den Mann nehme? Glaubst du, sie würde sich für das Kind entscheiden und nicht für dich?“
„Das sollte sie.“
„Das würde sie aber nicht, und ich würde sie nie mit der Wahl belasten. Ich lasse Krähe heute fliegen, wie er fliegen will.“
Die Tür zum Entbindungszimmer öffnete sich, und Zelia steckte den Kopf heraus. „Kommt jetzt rein. Wir sind bereit, anzufangen.“
Marek drehte sich zur Eingangstür um, die ihn von der Szene voller Blut und Schmerz fortzulocken schien. Kein Vater sollte ertragen müssen, wie einer seiner Söhne gleichzeitig geboren wurde und starb – schon gar nicht zweimal.
Er wischte sich die letzte Träne für eine Frau und ein Kind, die längst dahingegangen waren, von der Wange und führte die anderen ins Entbindungszimmer.
14. KAPITEL
D as ist schwerer, als zu sterben, dachte Rhia. Wenigstens hatte der Tod ein sicheres Ende. Sie stellte sich vor, wie sie monatelang mit diesen Leuten, die es nur gut meinten, in diesem Zimmer gefangen war, und wie ihre Kraft verging, bis sie nur noch eine ausgetrocknete Hülle war, in der ein sturer kleiner Junge steckte, der wuchs, bis er aus ihrem Körper herausplatzte wie eine Motte aus ihrem Kokon.
Das war nicht die Art von Gedanken, die Silina für ihr Ritual brauchte, aber Rhia konnte nicht anders. Ihre innere Ruhe kam und ging, unbeständig wie die Sonne an einem wolkigen Tag. Wenigstens waren die Stimmen vollkommen verstummt, entweder aus Respekt vor dem Augenblick oder aus Angst, dass ihre Kraft wieder aufblühte.
Die Tür öffnete sich, und Marek kehrte zurück. Er sah noch besorgter aus als zu dem Zeitpunkt, als er gegangen war. Alanka drückte Rhias Schultern und machte Platz für Marek, der sich wieder hinter ihr niederließ.
Eine Frau tauchte in der Tür auf. Coranna.
Rhia begann zu weinen. Sie wollte aus dem Bett kriechen und ihrer Mentorin in die Arme fallen.
Corannas Gesichtszüge wurden weicher. Sie ging zu Rhia und legte ihr eine kühle seidige Hand an die Wange. „Ich habe dich vermisst.“
Rhia konnte nicht sprechen. Coranna trat zur Seite und gab den Blick auf einen großen dunkelhaarigen Mann frei. Auch wenn Rhia ihn noch nie gesehen hatte, streckte sie instinktiv die Hand nach ihm aus, diesem verehrten und verfluchten Mitträger der Krähengabe.
Damen trat vor und sprach beruhigend auf sie ein, was sie sogleich tröstete. „Ich bin froh, dich endlich kennenzulernen“, sagte er.
„Und ich bin froh, dass es dich gibt.“ Sie nahm gerade seine Hand, als eine weitere Wehe einsetzte. Als er den Druck ihrerFingernägel in seiner Handfläche spürte, schloss er für einen kurzen Moment die Augen.
„Halt durch“, flüsterte Silina und trocknete Rhia die Stirn. „Nach dieser Wehe führe ich den Zauber
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