Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)
schon einen Spalt, ehe er sie erreicht hatte, um sie zu öffnen.
„Kommen wir zu spät?“, ertönte eine vertraute Stimme.
Rhia keuchte überrascht auf. „Alanka!“
Schwungvoll öffnete Mareks Wolfschwester die Tür und warf ihm die Arme um den Hals. Die Umarmung dauerte nur kurz, denn Alanka rannte sofort ans Bett, um Rhia zu begrüßen. „Wir dachten, wir kommen zu früh, aber Silina hat gesagt …“ Sie trat einen Schritt zurück. „Du bist riesig!“
„Danke. Das glaub ich gern.“ Rhia zwinkerte Marek zu.
Alanka wurde rot. „Ich meine, für jemanden, der so schmal ist, bist zu ziemlich … Ich halte jetzt lieber den Mund.“
„Wer ist noch mit dir gekommen?“, fragte Marek.
„Coranna … und unsere neue Krähe … na ja, nicht ganz neu. Erinnerst du dich an Damen? Er ist aus Velekos gekommen, um sich in der zweiten Phase ausbilden zu lassen.“
„Damen hat es in die zweite Phase geschafft?“ Marek fragte sich, ob er sich an den falschen Mann erinnerte.
„Noch eine Krähe?“ Rhias Augen leuchteten auf. „Wann kommen sie her?“, fragte sie Alanka.
„Sie kommen, wenn die Zeit gekommen ist. So, und ich gehe jetzt wieder. Ich kann kein menschliches Blut sehen.“
„Ich bin froh, dass du hier bist.“ Rhia zog Alanka zu sich auf das Bett. „Ich will alles hören, was in … Aaah!“ Sie krümmte sich, oder sie hätte es getan, wenn ihr Bauch dabei nicht im Weg gewesen wäre. Marek eilte an ihre Seite. Sie bedeutete ihm, ihr beim Aufstehen zu helfen, und zeigte dann nach unten.
„Auf den Boden?“, sagte er. „Warum?“
„Tu einfach, was sie sagt“, forderte Silina ihn auf. „Hilf ihr dahin, wo sie sich am wohlsten fühlt. Aber leg ihr ein paar Kissen unter die Knie.“
Rhia schnitt eine Grimasse. Sie atmete zu schwer, um sprechen zu können. Stöhnend griff sie nach Mareks Handgelenk und drückte zu, bis er meinte, die Knochen müssten brechen.
„Was soll ich tun?“, fragte Alanka.
„Rede weiter“, sagte Silina. „Und nimm dir ein kühles Tuch, um ihr das Gesicht abzureiben. Sie wird Schwerstarbeit leisten müssen.“
Alanka holte das Tuch und begann in ermüdenden Einzelheiten die letzten paar Monate ihres Lebens wiederzugeben. Marek freute sich darüber, dass seine Wolfschwester etwas von ihrer ursprünglichen Lebenskraft zurückbekommen hatte, auch wenn über ihrer Stimme noch immer ein Schatten lag. Die Wolke, die bei seiner Hochzeit über ihr gehangen hatte, schien sich gelichtet zu haben, nur ganz verschwunden war sie noch nicht.
Der Morgen verging, es wurde Nachmittag, und die Wehen kamen und gingen, ohne dass sich irgendein Fortschritt erkennen ließ. Silinas Gehilfe kam gemeinsam mit Zelia und einemihrer weiblichen Lehrlinge an. Die ausdruckslosen Gesichter der vier Frauen verrieten nicht, ob Gefahr drohte, aber Marek wusste, dass die Geburt nicht gut verlief. Rhia wurde müde, ihre Muskeln waren von einem Monat Bettruhe bereits geschwächt, und ihr Gesicht war bleich wie das Laken.
Nach einer besonders schweren Wehe lehnten sie sich gemeinsam an das schräge Bett, ihr Rücken an seiner Brust, während Silina sie wieder untersuchte. Rhias Kopf fiel zurück, und sie stöhnte vor Frust.
„Du schaffst das“, flüsterte er ihr zu.
„Ist es zu spät, um meine Meinung zu ändern?“, fragte sie.
„Über die Wehen?“
„Über die Schwangerschaft.“
Alle lachten, bis auf Silina. Sie schien durch Rhias Haut hindurchzuspähen, als sie ihre Handflächen über den Körper des Kindes legte. Lange blondgraue Haarsträhnen klebten an ihrem schweißnassen Gesicht.
„Es gibt ein kleines Problem“, sagte sie. Marek hörte die gezwungene Ruhe in ihrer Stimme, und auf einmal roch es im Zimmer nach Angst. „Sein Fuß ist ausgestreckt. Das ist die schwerste Position für eine Niederkunft.“
Marek schauderte. Es war genau wie bei Kalia. Er würde es nicht ertragen, jetzt auch noch dabei zusehen zu müssen, wie Rhia starb.
„Ich kann seine Position vielleicht verändern“, sagte Silina, „seine Beine nach oben drehen, damit die Steißlage sicherer wird.“ Sie sah jede einzelne Person im Raum an. „Für dieses Ritual müssen alle still sein und sich ganz deutlich konzentrieren. Leert eure Gedanken von Angst und Schmerz, damit die Magie wie Wasser fließen kann, das Element von Schildkröte.“
„Ich muss mit Coranna sprechen“, stieß Marek besorgt hervor.
Silina nickte ihrer Gehilfin zu. „Bring die Krähen, um zu helfen.“
„Ich muss allein mit ihr
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