Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)
triefte vor Feindseligkeit. „Dann wären wir am gleichen Ort. So ist es viel besser.“ Er betrachtete seinen leeren Becher. „Noch Bier?“
Alanka trat nahe an Rhia heran und strich dem Kind eineschwarze Locke aus der Stirn. „Ist sie nicht schön? Ich wünschte, du hättest Nilik mitbringen können, um seine Cousine kennenzulernen.“
„Es ist zu kalt draußen für ein vier Wochen altes Baby. Coranna und Damen passen gut auf ihn auf. Damen muss lernen, wie man Windeln wechselt, wenn er Vater werden will. Außerdem“, sie sah Alanka entschuldigend an, „mussten wir einfach ein paar Stunden weg.“
„Um Zeit mit Erwachsenen zu verbringen?“ Sie sah zu, wie ihr Bruder mit einem kleinen Bierfass kämpfte und dabei fluchte. „Nicht dass hier welche zu finden wären.“ Sie nahm Rhia die zappelnde Sura aus den Armen. „Sie muss gewickelt werden. Das rieche ich.“
„Wir haben kein Bier mehr.“ Lycas stand auf und stöhnte. „Ich muss wohl in den Keller gehen.“
„Nein, ist schon gut“, sagte Marek schnell. „Ich brauche nicht noch mehr.“
„Ich schon.“ Lycas rieb sich das Kinn und wirkte mit einem Mal verunsichert. Rhia wurde klar, dass er an Mali vorbeimusste, um mehr Bier zu holen, weil der Eingang zum Keller sich draußen befand.
Er seufzte und schlurfte zur Tür, wo er stehen blieb, als wollte er erst seine Kräfte sammeln, ehe er hinausging.
Als er verschwunden war, atmeten alle – selbst das Kind, wie es schien – erleichtert auf.
„Bitte komm und wohn stattdessen bei uns“, forderte Rhia Alanka auf.
„Das würde ich so gern.“ Alanka wischte dem Kind den Po mit einem feuchten Tuch ab. „Aber ich habe Angst um Sura, wenn ich gehe. Mali füttert sie nur. Ich mache alles andere.“
„Was ist mit Lycas?“, fragte Rhia.
„Er versucht ein bisschen zu helfen. Meistens sitzt er in der Ecke und wünscht sich, er wäre mit dem Rettungstrupp gegangen. Manchmal spricht er es sogar laut aus.“
Rhia spürte einen Funken Mitleid für ihre alte Widersacherin Mali. Es war immer schwer, mit einem Bärenmarder zu leben,aber besonders mit einem, der den Verlust seines Zwillings zu verkraften versuchte. Mali, selbst Kriegerin, hatte es wegen ihrer Schwangerschaft versäumt, in der Schlacht zu kämpfen. Alles, wofür sie ausgebildet worden war, kam jetzt nach ihrer Mutterpflicht an zweiter Stelle. Die Wespe hatte jeden Grund, verbittert zu sein.
Rhias eigene Gefühle hatten sich seit Niliks Geburt in beinah unberechenbarer Weise verändert, aber Marek hatte übermenschliche Geduld und Ausdauer bewiesen. Jetzt sah sie ihm dabei zu, wie er seine wohlverdiente Pause und einen Becher Bier genoss, und fühlte sich so glücklich, dass es wehtat.
Später in der Nacht gingen sie Arm in Arm nach Hause und erholten sich von dem Abend voller Verbitterung.
„Glaubst du, sie werden heiraten?“, fragte Marek.
Rhia stöhnte. „Ich bezweifle es. Andererseits, wenn du mich vor einem Jahr gefragt hättest, ob sie bis hierhin kommen, hätte ich auch Nein gesagt.“
Marek nahm auf dem Weg durch die dunklen ruhigen Straßen von Asermos ihre behandschuhte Hand in seine. „Wo wir gerade von Vätern reden – oder vielmehr, von werdenden Vätern –, du und Damen scheint euch gut zu verstehen.“
„Es ist wunderbar, jemanden zu haben, mit dem man seine Last teilen kann.“
„Die Last, Krähe zu sein, oder die Last, mit Coranna zurechtkommen zu müssen?“
Sie lachte leise. „Beides. Aber ich bin etwas eifersüchtig, dass er schon weiter mit der Ausbildung ist als ich. Er redet mit den Toten, und ich darf kein Thanapras benutzen, bis Nilik nicht mehr gestillt werden muss. Und Coranna sagt, selbst dann lässt sie mich noch warten. Sie glaubt nicht, dass ich schon so weit bin.“
„Und Damen schon?“
„Er ist fast zehn Jahre älter als ich. Und er ist nicht schwanger gewesen und hat damit seine Kräfte geschwächt.“ Sie bogen in die Straße ein, in der sie lebten. Das Haus neben dem Krankenhaus würde noch einen Monat ihr Heim sein, bis sie nach Kalindoszurückkehrten. Sie senkte die Stimme, falls Damen vor der Tür stand und seine Pfeife rauchte. „Aber ich glaube, es ist auch, weil er genau wie Coranna ist. Er kann sich von den Menschen abgrenzen, mit denen er zu tun hat, egal ob lebendig oder tot. Er ist pragmatisch.“
„Gefühlskalt.“
„Marek …“
„Das meine ich natürlich auf die netteste Weise.“ Zärtlich legte er ihr einen Arm um die Schultern. „Ich liebe Coranna wie eine
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