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Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)

Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)

Titel: Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeri Smith-Ready
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wieder dort. Ich konnte sie riechen, hören, sogar schmecken.“ Angewidert verzog sie den Mund, als hätte sie in verfaultes Fleisch gebissen. „Als es vorbei war, als ich Marek wieder sehen konnte, war er bereits auf dem Boot. Es war zu spät. Ich habe ihn im Stich gelassen.“
    „Du hättest ihn vielleicht gar nicht retten können, wenn zwei Soldaten dort waren. Und was, wenn du danebengeschossen und Marek getroffen hättest?“
    „Ich schieße nie daneben. Ich meine, ich habe noch nie danebengeschossen. Nicht als ich noch meine Wolfkräfte hatte.“
    Kälte breitete sich in Filip aus, als ihm die Bedeutung ihrer Worte klar wurde. „Du hast sie verloren?“
    „Seit jenem Augenblick. Ich habe mich abgewandt, als mein Geistesbruder mich brauchte, also hat Wolf mich verlassen.“ Sie rieb sich die Wange. „Ich kann nicht mehr sehr gut hören oder riechen. Ich kann keinen Bogen schießen, ich kann nicht mehr schleichen. Nachdem ich dich getroffen hatte, ging es gerade wieder besser. Aber jetzt bin ich wieder bei … Ich bin nichts mehr.“
    „Nein.“ Er hob ihr Kinn und sah ihr in die Augen. „Was auch immer Wolf denkt, du hast große Kräfte.“
    Eine Träne lief ihr über die Wange. Statt sie fortzuwischen, zog Filip Alanka an sich, ganz langsam, als könnte sie zerbrechen. Sie vergrub ihr nasses Gesicht an seinem Hals und ließ sich von ihm festhalten, während das Schluchzen ihren Körper erbeben ließ. Er streichelte ihr das Haar und fragte sich, wie er es in einem solchen Augenblick wagen konnte, sich so glücklich zu fühlen.
    In dieser Nacht fand Filips Traum von einem Wettrennen mit seinem Bruder durch den Letus-Park ein neues Ende.
    Am Ende des Anlegers, der hinaus in den künstlich angelegten See führte, wo ihre Rennen immer mit einem Sprung ins Wasser endeten, stand ein weißes Pferd. Nicht ein grauer Fleck beschmutzte sein Fell, nicht eine gelbe Strähne verschandelte seine Mähne. Es glänzte im Licht der Nachmittagssonne wie reiner Alabaster, und die Brise strich ihm durch Mähne und Schweif. Es trug weder Zaumzeug noch Sattel und schien völlig unberührt von Menschenhand.
    Filip stand allein vor dem Pferd. Sein Bruder war verschwunden. Der Hals der Stute sah weich wie eine Wolke aus. Er streckte die Hand aus, um sie zu berühren.
    „Nein“, sagte sie, „das kannst du nicht haben.“
    Seine Hände sehnten sich schmerzlich danach, sie zu berühren. „Niemals?“
    „Noch nicht. Du bist nicht vollständig.“
    Er senkte den Blick auf sein Bein, das unvollständig an ihm herabhing. „Ich weiß.“
    „Nicht deswegen“, sagte sie, „sondern weil du allein bist. Du musst nicht allein sein.“
    „Aber wie soll ich …“
    „Sie warten.“ Mit seinen samtigen Nüstern berührte das Pferd Filips Stirn.
    Als er erwachte, war seine Sehnsucht ebenso groß wie seine Verwirrung. Wer wartete? Hatte einer der Götter das Pferd in seine Träume geschickt, oder kontrollierten die Geister jetzt auch diesen Bereich seines Lebens?
    Aus dem Loft über ihm drang das Schnarchen von Tereus. Filip fand das Geräusch beruhigend, denn es bedeutete, dass er nicht allein war. Es fühlte sich immer noch seltsam an, nicht von Hunderten oder sogar Tausenden Männern umgeben inmitten eines Armeelagers oder einer Baracke zu schlafen.
    Plötzlich schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf, und er begann zu zittern. Schwäne in der dritten Phase konnten die Träume der Menschen verändern. Vielleicht hatte sein Gastgeberdiesen Traum in Filips Verstand gepflanzt, um ihn dazu zu bringen, sich der Weihung zu unterziehen. Vielleicht warteten die Asermonier darauf, dass er zu einem von ihnen wurde.
    Bolan hatte ihm erzählt, dass mehrere Leute sich fragten, ob Tereus die Träume von Rabe gestreut hatte, um seiner Tochter Bedeutung zu verleihen. Aber soweit Filip die Magie der dritten Phase verstand, brauchte es dazu erschöpfende Mengen von Kraft, und es hatte schwerwiegende Folgen, selbst wenn man sie nur für das Gute einsetzte. Und wie er Tereus kannte, überzeugte der Mann lieber durch eindringliche Reden als durch hinterhältige Manipulation.
    In der folgenden Nacht würden die Tauben mit Nachrichten von Marek aus Velekos zurückkehren, der seinem Schicksal ausgeliefert war, während Filip sicher in seinem Bett lag. Wenn Marek und das Kind nicht gerettet werden konnten, würde Alanka am darauffolgenden Morgen nach Leukos aufbrechen. Sie würde durch die Straßen gehen, die er seit seiner Kindheit kannte. Seine Heimat war

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