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Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)

Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)

Titel: Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeri Smith-Ready
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kleine Röhre, die er der Taube an ihr Bein binden würde, und dann Mareks Bild. Rhia hielt sich daran fest und brannte sich das Gesicht, das sie vielleicht nie mehrwiedersehen würde, ins Gedächtnis ein.
    Nein. Sie würde ihn finden, und wenn es den Rest ihres Lebens dauerte.
    Als sie das Bild losließ, zitterten ihre Finger nicht mehr.
    Nilik weinte.
    Marek schob den Jungen von einem schmerzenden Arm in den anderen, um zu versuchen, ihn zu beruhigen und sein kleines Gesicht vor dem bitteren Nachtwind zu schützen. Das Boot schwankte stärker, seit die Strömung des Flusses zugenommen hatte, und Marek musste sich darauf konzentrieren, nicht von der Bank zu rutschen, die man ins Hinterschiff eingebaut hatte.
    Er hoffte, das Geräusch des Kindes würde jemanden am Ufer auf ihre Schwierigkeiten aufmerksam machen, falls das Wasser es nicht übertönte. Aber die Soldaten – wenn sie Soldaten waren – warfen Nilik jedes Mal, wenn er auch nur gurgelte, feindselige Blicke zu. Marek würde es den Nachfahren zutrauen, ein Kind über Bord zu werfen, wenn es ihre Mission gefährdete.
    Er flüsterte dem Kind eine Reihe unsinniger Wörter vor und trällerte dabei auf eine Art, die Nilik zu gefallen schien. Aber er wusste, dass diese besondere Art zu schreien, noch dazu zu dieser nachtschlafenden Zeit, bedeutete, dass nichts außer Nahrung seinen Sohn beruhigen könnte.
    „Kannst du ihn nicht zum Schweigen bringen?“, fragte der hässlichste der sechs Soldaten, die Marek flankierten – vier auf einer Seite, zwei auf der anderen, um das Boot gegen den Wind auszubalancieren.
    „Er hat Hunger“, sagte Marek.
    „Das habe ich auch, aber ich heule hier nicht rum.“
    Die anderen Soldaten lachten, aber sie verstummten, als aus der Kabine unter ihnen eine Frau trat. Sie war schlicht in ein langes graues Kleid gekleidet, das sie vom Hals bis zu den Zehen bedeckte. Als der Wind ihr das dunkle Haar ins Gesicht wehte, zog sie sich eine Kapuze über den Kopf, mit der sie aussah wieeine Schildkröte, die nur die Nase aus ihrem Panzer steckte.
    „Ich nehme ihn.“ Als sie die Hände nach Nilik ausstreckte, rutschten ihr die Ärmel über schlanke Handgelenke zurück. Zögernd reichte Marek ihr seinen Sohn.
    Sie setzte sich neben ihn und löste das Vorderteil ihres Kleides, damit Nilik trinken konnte. Marek war halb erleichtert und halb verzweifelt darüber, wie willig sein Sohn sich fügte. Seine kleinen Fäuste öffneten und schlossen sich, während er trank. Zwei der Soldaten beobachteten ihn dabei, während die anderen das Flussufer überblickten.
    „Ich bin froh, dass du mitgekommen bist“, sagte die Frau zu Marek. „So wird es weniger Arbeit für mich. An Bord sind vier Säuglinge, einer davon ist mein eigener.“
    „Wie heißt dein Kind?“, fragte er sie leise.
    „Neyla. Sie ist fünf Monate alt.“
    „Ein schöner Name. Und deiner?“
    „Mila.“
    „Mila, ich bin Marek. Und das ist …“
    „Sag mir seinen Namen nicht.“
    „Sein Name ist Nilik.“
    Sie blinzelte kräftig. „Nicht mehr lange.“
    „Ist es einfacher für dich, wenn du ihre Namen nicht kennst? Kannst du dir so nicht vorstellen, wie die Menschen leiden, die ihn getauft haben?“
    „Hör auf.“
    „Der Name seiner Mutter ist Rhia. Meine Frau. Stell dir vor, wie sie sich fühlen muss.“ Er schluckte. „Stell dir vor, wie jemand dir dein Kind aus den Armen reißt.“
    Mila begann so stark zu zittern, dass Nilik sich von ihrer Brust löste und anfing zu weinen. Marek streichelte den hellbraunen Haarschopf seines Sohnes. Bald trank der Junge wieder. Sein Hunger hatte die Angst für einen Augenblick bezwungen.
    Marek sah nach Osten, auf den heller werdenden Horizont. An dieser Stelle des Flusses, auf etwa einem Viertel des Weges zwischen Asermos und Velekos, wurde das Ufer steiler. Wenn er sich richtig an seine Reisen nach Süden erinnerte, würdensie bald komplett von Klippen umgeben sein, die sie von vereinzelten Jägern, Fischern und Trappern abgrenzten, die zwischen den Dörfern lebten. Sobald die Sonne aufging, gäbe es keine Möglichkeit mehr, mit jemandem, der das Gefährt der Entführer sah, Kontakt aufzunehmen. Die Nachfahren hatten ihre Flucht gut abgepasst.
    Im Boot begann eines der anderen Kinder zu wimmern. Mila seufzte. „Komm mit mir“, forderte sie Marek auf.
    Marek half ihr die Treppe in die Kabine hinab. Einer der Soldaten folgte ihnen, eine Hand fest auf Mareks Schulter gelegt.
    Der enge Raum drohte ihn zu ersticken, obwohl die

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