Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)
Laternen in jeder Ecke der Wand warmes Licht spendeten. Eine offene Tür auf der anderen Seite führte in ein kleines Cockpit, in dem der Kapitän, eine Hand am Steuer, über einen Tisch gebeugt stand, um eine Karte zu lesen. Er regte sich nicht, als Marek und Mila den Raum betraten.
Einer der Säuglinge in der linken Koje weinte. Mila nickte Marek zu. „Sieh nach, ob sie gewickelt werden muss.“
„Muss sie nicht, das kann ich riechen.“ Marek deutete auf das Kind zu ihrer Rechten, das allein schlief. „Das da muss gewickelt werden.“
„Dann tu es.“ Sie ließ sich in einen Stuhl in der Ecke sinken. „Aber erst gib mir Neyla. Das ist die, die weint.“
Er tat, worum sie ihn gebeten hatte, und tauschte Neyla gegen Nilik aus, den er in das linke Bett legte. Dann fand er in einem Fach in der Wand die Vorräte für die Kinder. Immer ein Auge auf Mila und den Kapitän gerichtet, begann er den kreischenden kleinen Asermonier zu wickeln.
„Haben sie einen seiner Elternteile umgebracht?“, fragte er.
Mit offenem Mund sah Mila ihn an.
„Sie haben eine alte Frau abgestochen, um Nilik zu bekommen“, erzählte er ihr. „In den Bauch gestochen. Wusstest du das?“
Sie wandte sich an den Kapitän. „Sareb, stimmt das?“
„Natürlich nicht“, erwiderte er lakonisch, ohne aufzublicken.
„Lügner“, fauchte Marek. „Was wollt ihr von uns?“
Seufzend legte Sareb die Karte weg und drehte sich zu Marek um. „Wir tun nur, wofür wir angeheuert wurden, Mila und ich. Die anderen folgen ihren Befehlen wie brave kleine Soldaten.“ Er verschränkte die Arme und lehnte sich mit der Schulter gegen den Türrahmen. „Wir wollen euch nicht wehtun, aber es würde uns auch nichts ausmachen.“
Marek sah sich zu dem Soldaten an der Tür um, in dessen Miene sich das spöttische Grinsen des Kapitäns widerspiegelte. Er schluckte seine Wut hinunter und griff nach einer sauberen Windel. Für seinen Sohn musste er am Leben bleiben. Nach seiner Erfahrung in der Kriegsgefangenschaft bei den Nachfahren erwartete Marek, nach ihrer Ankunft in Leukos ausgepeitscht zu werden oder noch Schlimmeres.
Was sie mit Nilik vorhatten, mochte er sich gar nicht ausmalen.
18. KAPITEL
Z um ersten Mal hörte Filip Alanka kommen, ehe er sie sah. Ihre Schritte raschelten durch die Blätter, als sie über den Waldboden auf den Rand der Lichtung zustürzte. Im Gegensatz zu den letzten drei Malen, die sie sich heimlich getroffen hatten, versuchte sie nicht, sich an ihn anzuschleichen, und sie trug auch nicht den Bogen und die Pfeile auf dem Rücken.
Als sie Filip sah, lief Alanka noch schneller. Bei näherem Hinsehen bemerkte er die Tränen auf ihrem Gesicht und kämpfte gegen den Drang an, sie in die Arme zu schließen. In den zwei Wochen, in denen sie einander jetzt kannten, hatte er sie immer nur berührt, um ihr auf den Pferderücken zu helfen.
„Guten Morgen“, sagte sie, sah ihm dabei aber nicht in die Augen. „Ich bin froh, dass du gekommen bist.“
Er wollte zur Antwort lächeln. In Anbetracht ihrer niedergedrückten Stimmung verkniff er es sich jedoch. „Ich bin auch froh, dass du hier bist.“
Sie strich sich eine Strähne ihres schwarzen Haars hinter das Ohr und steckte sie in ihrem Zopf fest, der ihr bis auf den Rücken hinabfiel.
„Ich habe gehört, was letzte Nacht mit Marek und seinem Sohn geschehen ist“, sagte er. „Es tut mir leid.“
„Es hätte nicht geschehen müssen“, gab sie leise zurück.
„Aber Tereus hat gesagt, die Entführer waren bewaffnet.“
Sie wischte sich übers Gesicht, obwohl die Tränen mittlerweile getrocknet waren. „Gehen wir spazieren.“
Gemeinsam überquerten sie die Lichtung. Auch wenn es ihnen normalerweise leichtfiel, ein Gesprächsthema zu finden, tat Filip sich an diesem Morgen schwer damit. Schweigend nahm er ihre Hand in seine.
Sie erstarrte, und er verfluchte sich im Stillen für seinen Fehler.
„Kann ich dir etwas Schreckliches erzählen?“, fragte Alanka ihn.
Er nickte, weil ihm die Stimme versagte.
„Du darfst mich hinterher aber nicht hassen.“
Er schüttelte den Kopf.
„Ich hätte Mareks Entführer aufhalten können. Ich bin ihm gefolgt, und ich hatte freie Schussbahn. Ich hätte ihn retten können.“ Ihre Stimme brach. „Aber ich konnte nicht.“
Filip schloss seine Hand fester um ihre. „Warum nicht?“
„Ich hatte mein Ziel schon anvisiert. Aber ich konnte ihn nicht sehen. Alles, was ich noch wahrnahm, war die Schlacht. Es war, als wäre ich
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