Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)
bis an den flachen Horizont. Links von ihnen lagen die felsigen Ufer der Prasnos-Bucht. Am Mittag sollten sie am Meer ankommen.
„Ich wünschte, ich könnte dich begleiten“, sagte Damen zu Rhia.
„Nein, tust du nicht.“
„Vielleicht hast du recht.“ Er warf einen Blick auf Nathas, der Bolan dabei half, einen Käfig mit zwei velekonischen Tauben auf den Rücken seines Ponys zu laden. „Es wird schön werden, endlich als Familie zusammen zu sein.“ Ohne sie anzusehen, sagte er: „Ich hoffe, wir werden uns wiedersehen, Rhia.“
„Natürlich werden wir das.“ Sie zwang sich dazu, fröhlich zu klingen. „Marek und Nilik und ich halten auf dem Weg nach Hause nach Asermos kurz an, um dein Kind kennenzulernen.“
Fest presste er die Lippen aufeinander.
„Du glaubst, wir werden sie nicht finden“, sagte sie.
„Doch, ihr habt eine gute Chance.“
„Warum fragst du dich dann, ob wir uns je wiedersehen?“
Er starrte auf die Bucht hinaus. „Es gibt über zweihundert Asermonier und Kalindonier in Leukos, mittlerweile vielleicht auf das ganze ilionische Reich verteilt. Glaubst du, du gibst dich damit zufrieden, nur zwei von ihnen nach Hause zu bringen?“
„Wenn das bedeutet, dass Nilik kein Schaden zustößt, dann ja. Damit muss ich zufrieden sein.“
„Rhia, wir sind so weit.“ Alanka setzte sich hinter Filip auf die braune Stute.
Rhia winkte ihr zu und richtete sich dann noch einmal an Damen. „Schick eine Nachricht nach Asermos und lass sie wissen, dass wir aufgebrochen sind.“
„Ich besuche die Pferdefrau, sobald wir in die Stadt zurückkehren.“
Sie umarmte Damen fest. „Ich werde dich vermissen.“
„Ich vermisse dich jetzt schon“, sagte er. „Viel Glück.“
Rhia ließ ihren Krähenbruder los und betrachtete ihn ein letztes Mal. Vielleicht würde sie ihn nie mehr wiedersehen.
Sie stieg auf ihr Pony und versuchte sich daran zu erinnern, wann sie das letzte Mal allein geritten war, ohne dass Marek hinter ihr gesessen hatte. Der Rücken des Pferdes fühlte sich für sie allein sehr lang an.
Sie ritten in die Wildnis, ohne eine Straße, die ihnen den Weg zeigte, geleitet nur von der Sonne, den Sternen und der Erinnerung eines vertriebenen Ilioners.
Filip behielt das atreanische Meer im Auge, als er den Rettungstrupp an der Küste entlang Richtung Südwesten führte. Der blaue Himmel über ihnen füllte sich mit großen Wolken, die Regen ankündigten, wenn nicht sogar das erste Frühlingsgewitter.
Nach einem Tag auf dem winzigen Boot und zwei Tagen, in denen sie sich in Damens Haus auf die Reise vorbereitet hatten, brauchten sie viel Platz für sich. Sie ritten nah genug beieinander, um sich im Auge zu behalten, aber auch weit genug voneinander entfernt, um sich nicht unterhalten zu müssen.
Er genoss es, Zeit allein mit Alanka zu verbringen. Ihre tiefen gleichmäßigen Atemzüge und die Arme um seine Hüfte verrieten ihm, dass sie eingenickt war. Wahrscheinlich würde er nie eine bessere Gelegenheit bekommen, mit ihr zu schlafen.
Der salzige Wind brannte auf seinem Gesicht und peitschte die Mähne des Pferdes in schwarzen Wellen über seinen Hals. Die Hufe der Stute sanken in den matschigen Boden ein. Lange rötliche Büsche aus Sumpfgras rieben an ihren Flanken und ließen ihr schlammbraunes Fell zucken wie ein Schwarm Fliegen.
Hier riecht es seltsam, dachte die Stute. Das Gras kitzelt, und meine Füße sinken ein.
„Der Boden wird dich tragen“, murmelte Filip. „Es ist fast wie in Velekos.“
„Was?“ Alankas Arme schlossen sich fester um seine Hüfte.
„Ich rede mit dem Pferd.“
„Oh.“ Sie legte die Stirn in seinen Nacken und lockerte den Griff. Als sie wieder eingeschlafen war, rutschten ihre Arme hinab in seinen Schoß und entfachten in ihm ein Verlangen auf etwas, das er nicht haben konnte. Er ergriff ihre Hand.
„Tut mir leid“, murmelte sie. „Ich habe letzte Nacht nicht gut geschlafen. Und die dreihundert Nächte davor auch nicht.“
Er räusperte sich. „Wenn du willst, hätte ich noch einen Vorschlag, wie man dir helfen kann.“
Sie hob den Kopf. „Mit meiner Magie?“
„Ja. Weißt du noch, auf dem Boot, als wir von Reinigungsritualen gesprochen haben? In meinem Land hatten diese Rituale damit zu tun, unsere Opfer um Vergebung zu bitten.“
„Wie?“
„Erst haben wir den Tempel von Rovas, dem Kriegsgott, aufgesucht und für jeden Soldaten, den wir umgebracht haben, Tribut gezollt. Der Priester gibt uns dafür eine Rechnung, und die
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