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Im Zeichen der Roten Sonne

Im Zeichen der Roten Sonne

Titel: Im Zeichen der Roten Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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rüstete, den nächsten Ansturm des Feindes abzuwehren. Sonnenlicht erleuchtete gespenstisch die verbrannten Trümmerhaufen, die geplünderten Lager, die zerstörten Schiffe mit ihren zerfetzten Segeln. Der Wind trug den Brandgeruch weit über die offene See hinaus. Ein- oder zweimal sah ich, wie ein verstümmelter Körper vorbeitrieb, der sein Grab in den Wellen gefunden hatte.
    Außer der Mannschaft - alles erfahrene Seeleute - begleiteten mich zehn ausgewählte Männer der Leibgarde, angeführt von Sire Tajigori, der einstmals einer Gesandtschaft nach Nimana angehört hatte und den Königshof kannte. Ich war froh, diesen ausgeglichenen und höflichen Mann an meiner Seite zu wissen. Außerdem hatten wir noch einen »Schicksalshüter« an Bord, ohne den kein Schiff in See zu stechen wagte.
    Als »Schicksalshüter« wurden meist alte Männer ausgewählt, die niemals ihr Haar kämmten, weder Läuse noch Flöhe entfernten, nur schmutzige Kleider trugen und nie eine Frau anrührten. Unserer hieß Nomi und roch derart, dass ich mich ihm nur mit dem Wind im Rücken näherte. Es war ein ausgemergelter Mann mit struppiger weißer Mähne und trüben Augen. Bis auf einige Stofffetzen war er völlig nackt. Er kauerte am Heck, schwang eine Rute aus Weißholz, an der ein Bündel langer Bänder hing, und murmelte Beschwörungen. Wir in Yamatai glaubten, dass solche Wesen Macht über die Elemente besaßen. Geschah während der Überfahrt ein Unglück, hatte der Mann das Schicksal schlecht beschworen und wurde bestraft. Meistens ließ man ihn verhungern.
    Das Schiff war aus Eichenholz. Zwanzig Mann Besatzung fanden bequem darauf Platz. Unsere Schiffe waren ausschließlich mit Segeln ausgestattet, Rudersklaven waren unbekannt in Yamatai. Zum Schlafen wurden Matten ausgebreitet. Sire Tajigori und mir standen für die Überfahrt Unterkünfte zur Verfügung.
    Nach Verlassen der Bucht verstärkte sich die Dünung. Die Segel spannten sich bis zum Zerreißen, die Takelage zitterte. Wir glitten in einiger Entfernung an der Heiligen Insel vorbei. Die Brandungswellen peitschten gegen die Felswände, die wie ein riesiger schwarzer Wall in der Sonne glänzten. Ich dachte an die Hüterin des Feuers und bat sie im Geist, mir bei meiner Aufgabe beizustehen. Ob sie bereits wusste, auf geheimnisvolle Weise vorgewarnt, dass die Königin im Sterben lag?
    Der erste Reisetag verlief ohne Zwischenfall. Wir hatten nichts weiter zu tun, als den Seeleuten zuzuschauen, die ihren Dienst in dem Takelwerk versahen oder Segel flickten. Mit gellenden Schreien schossen Seeschwalben über das Schiff hinweg. Wir erhielten als Mahlzeit eine aus getrockneten Algen zubereitete Suppe, gekochten Reis und Fisch. Trinkwasser war reichlich vorhanden.
    Der Kapitän war ein untersetzter, kräftiger Mann, der Uzuo hieß. Sein Gesicht, in das Sonne und Wind tiefe Rillen gegerbt hatten, war braun wie verwittertes Holz. Wie es oft bei Seeleuten vorkommt, vermochten sich seine aufmerksamen, scharf blickenden Augen manchmal seltsam zu verklären. Dabei hielt er streng auf Ordnung und duldete keine Nachlässigkeit.
    Am zweiten Reisetag überraschte ich ihn, wie er stirnrunzelnd den makellos blauen Himmel betrachtete. In der sinkenden Sonne leuchteten die Segel wie Kupfer. Mir fiel auf, dass die Seeschwalben mit ausgebreiteten Schwingen die Wellen streiften. Auch Uzuo hatte die Vögel beobachtet. Er war ein einfacher Mann, der sich nicht um sprachliche Feinheiten kümmerte.
    Â»Der Wind kommt aus Nordwest und die Vögel fliegen zu tief«, brummte er wie zu sich selbst. »Das sind schlechte Zeichen. Aber vielleicht können wir rechtzeitig die Gefahrenzone verlassen.«
    In der Nacht frischte der Wind auf; der Himmel bezog sich. Die hohen Masten ragten ins Dunkel; ächzend und knarrend bogen sich die Wanten. Unruhig blieb ich an Deck, beobachtete das Einziehen der Segel.
    Â»Versucht zu schlafen, Toyo-Hirume-no-Miko«, sagte Tajigori. »Uns bleibt nichts anderes übrig, als den Seeleuten zu vertrauen. Es sind alles starke und geschickte Männer. Und außerdem haben wir den ›Schicksalshüter‹.«
    Ich versuchte, seinen Rat zu befolgen. Doch das Schiff hob und senkte sich unter den Windstößen. Ich rollte von einer Seite der Matte auf die andere. Einmal stieß ich schmerzhaft mit dem verletzten Arm gegen die Wand.

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