Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Zeichen der Roten Sonne

Im Zeichen der Roten Sonne

Titel: Im Zeichen der Roten Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
Vom Netzwerk:
suchte.
    Dunkel hob sich die Gestalt des Mannes im zuckenden Feuerschein ab. Sein Haar fiel in dichten Wellen über die spiegelnden Schuppen seiner Rüstung. Durch die Schlitze der Federmaske leuchteten die Augen. Sie waren auf Iri gerichtet, der ausdruckslos seinen Blick erwiderte. In drückendem Schweigen drängten sich immer mehr Menschen hinter den Reitern und bald standen Hunderte dicht gedrängt auf dem Platz. Der Tungusenfürst saß starr wie eine Statue im Sattel. Im Schatten des Hirschgeweihs, der sein Antlitz überragte, glühten seine Augen wie rötliche Pünktchen. Ein Seufzer - mein eigener - brach die Stille, als Iri mit eisiger Stimme das Wort an den Mann am Ausfalltor richtete:
    Â»Ãœbergebt mir das Schwert!«
Und der , dessen Name verflucht war, entgegnete:
»Kommt und holt es Euch!«
    Gelassen streifte er die Lederbänder von den Händen, nahm seine Federmaske vom Gesicht und warf sie zu Boden. Eine Bewegung lief wie eine Woge durch die dichtgedrängten Reihen. Einige wichen zurück, andere umklammerten ihre Waffen fester. Aufgewühlt betrachtete ich die großen brennenden Augen, das schöne Gesicht, das keine Tätowierung zu entstellen vermochte, vernahm den tiefen Klang der vertrauten spöttischen Stimme. Und die Worte, die er jetzt sprach, galten nicht dem Tungusenfürsten; sie galten mir:
    Â»Von jenseits des Meeres, Toyo-Hirume-no-Miko, habt Ihr also den tapferen, jungen Helden edlen Geblütes herbeigeholt, der begierig ist, zu seinem eigenen Vorteil das Königreich zu retten. Eure Klugheit, Priesterin, ehrt Euch!«
    Meine Zähne gruben sich in die Unterlippe. Es gelang mir zu schweigen. Jetzt erst wandte er sich dem Fürsten zu, wobei er den Arm hob und das Schwert mit den sieben Klingen sieben Blitze schleuderte.
    Â»Steppenprinz, betrachtet diese Waffe! Ich habe sie in einer einzigen Nacht im Sternenfeuer geschmiedet. Nichts unterscheidet die Klinge von der Hand, die sie führt, denn unsere Seelen sind eins.«
    Iri antwortete gleichmütig:
    Â»Dennoch seid Ihr geschlagen.«
    Sein Gegner lachte. Seine wundervollen Zähne blitzten.
    Â»Nicht so voreilig, Steppenprinz! Steigt zuerst von Eurem Grasfresser und kommt, Euch mit mir zu messen!«
    Iri zog den Riemen seines Helmes enger und schwang sich aus dem Sattel. Die Zügel warf er einem seiner Krieger zu. Den Schild in der einen Hand, das blanke Schwert in der anderen, näherte er sich seinem Gegner. Mit einer Handbewegung hieß der , dessen Name verflucht war, ihn stehen zu bleiben. Ich erbebte, als er mit langsamen Schritten mir entgegentrat. Eine Art Lähmung befiel mich. Wie verzaubert rührte ich mich nicht von der Stelle. Er kam näher, noch näher. Ich sah die Schuppen seiner Rüstung bei jedem Atemzug glitzern, spürte den Geruch nach Leder und Rauch, der von seinen Kleidern ausging. Und dann geschah etwas Unerwartetes: Er beugte vor mir das Knie. Sein langes Haar bedeckte den Sand vor meinen Füßen.
    Â»Priesterin«, sagte er mit ruhiger, ernster Stimme. »Wenn es mein Los ist, jetzt zu fallen, so will ich in Ehren sterben. Ich bitte Euch, nehmt den Fluch von mir.«
    Da wurde das Schweigen so vollkommen, dass man die Fackeln knistern hörte. Alle - Männer und Frauen - standen wie versteinert, mit angehaltenem Atem. Im Staub kniend, demütig und dennoch mit königlicher Würde, erwartete der Mann meine Antwort. Ich wusste nicht, welche Macht ihn verwandelt hatte. Doch sein Blick war wie der Blick aus einer anderen Welt. Vor diesem Wesen, das die Finsternis durchschritten und jenseits von Zorn, Schmerz und Zweifel eine neue Weisheit erworben hatte, senkte ich zum ersten Mal die Augen. Und als ich die Lider hob, war auch meine Stimme eine ganz andere, deutlich vernehmbar und von ruhiger Gewissheit erfüllt.
    Â»Ich nehme den Fluch von dir!«
    Ein gedehnter Laut stieg aus der Menge auf; es klang wie das Rauschen einer dumpf grollenden Flut. Und Susanoo, Prinz der Himmlischen Linie von Izanami, verbeugte sich, stumm und stolz, bevor er sich aufrichtete und das Antlitz seinem Gegner zuwandte. Eine neue, fast unwirkliche Stille senkte sich über die Anwesenden. Kein Laut, kein Atemzug brach das Schweigen. Nur das Schnauben und Scharren der Pferde war hörbar- und hin und wieder das Zusammenklirren von Waffen.
    Die beiden Männer standen allein und betrachteten sich. Susanoos Gesicht war glatt wie ein See. Seine Ruhe

Weitere Kostenlose Bücher