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Im Zeichen der Roten Sonne

Im Zeichen der Roten Sonne

Titel: Im Zeichen der Roten Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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du gesagt? Rede! So rede doch!« Die Stimme schwoll an. Die Finsternis war davon erfüllt. Warme, feste Hände umschlossen die meinen. Ich spürte Schwielen und Narben, klammerte mich mit aller Kraft an diese Hände fest, die mich wieder mit mir selbst vereinten. Dabei versuchte ich zu sprechen. Irgendwie musste ich zur Besinnung kommen, obgleich mein ganzer Körper erzitterte und es schien, als wollte mein Geist sich im Dunkel verlieren.
    Â»Was hast du gesagt?«, wiederholte Susanoo.
    Ich schwankte, doch er ließ mich nicht los. Endlich stand ich wieder aufrecht. Ich hatte meine Schwäche besiegt und konnte wieder reden.
    Â»Die Königin … die Königin ist verwundet. Ein Blasrohr …«
    Er starrte mich an. Seine Augen waren leer, leer wie die Nacht. Unter den violetten Tätowierungen hatte seine goldene Haut die Farbe von Asche angenommen. Er sagte heiser:
    Â»Das Gift …«
    Â»Es geschah vor zehn Tagen!«, flüsterte ich. »Sie hat befohlen, es geheim zu halten …«
    Er wandte sich mit solcher Heftigkeit ab, dass sein Haar mein Gesicht peitschte, und riss das Schwert aus dem Boden. Seine Waffe in der Hand, bahnte er sich einen Weg durch die stumm zurückweichende Menge, ging auf das Festungstor zu. Regungslos, die Rechte auf sein Schwert gestützt, stand Kuchiko vor den geschlossenen Torflügeln. Er schien wie aus Granit gemeißelt. Zu beiden Seiten warteten mit aufgepflanzten Speeren die Männer der Leibgarde. Susanoo ging an ihnen vorbei, ohne sie zu beachten. Vor Kuchiko hielt er an. Einen Augenblick standen sich beide Männer im Fackelschein stumm gegenüber. Dann gab Kuchiko ein Zeichen. Die Krieger traten zurück und Kuchiko verneigte sich. Susanoo erwiderte seine Verbeugung, bevor er die Brücke überquerte. Die Bohlen hallten unter seinen Schritten. Der Wind trug seinen Befehl zu mir hinüber:
    Â»Ã–ffnet das Tor!«
    Das Rasseln der Riegel, das Knarren der eisenbeschlagenen Flügel tönte wie ein Echo aus der Dunkelheit. Eingegrenzt von den Mauern, wurde das Leuchten des Nachthimmels sichtbar. Einen Atemzug lang war Susanoos mächtige Gestalt im Gegenlicht sichtbar. Dann verschluckte ihn die Finsternis.
    Die Betroffenheit, die die Menge gelähmt hatte, verflog mit einem Schlag. Die Königin lag im Sterben! Frauen und Männer stießen laute Klagerufe aus, rauften sich die Haare, kratzten sich die Wangen blutig.
    Iri stand schwer atmend inmitten seiner Krieger. Er hielt sein Schwert fest gepackt. Zorn und Scham verzerrten seine Züge. Ich hatte ihm das Leben gerettet. Doch als unsere Blicke sich trafen, wusste ich, dass er mir dies nie verzeihen würde.
    Â»Worauf wartet Ihr noch!«, fuhr er mich an. »Nehmt ihm die Waffen ab und legt ihn in Ketten!«
    Das Klagegeschrei der Menge erstickte meine Stimme. Er aber las die Antwort von meinen Lippen:
    Â»Nein. Jetzt noch nicht.«

22
    N och glühten verkohlte Holzstücke in der Asche, doch die Feuer fielen zusammen. Wie blasse Gespenster wehten Rauchschwaden empor, als wir im Fackelschein über die Brücke ritten und in die Festung einzogen. Auf seinem weißen Hengst führte Iri den Zug an. Sein Gesicht lag im Schatten des Hirschgeweihs. Ich sah nur seine Augen, die in eiskalter, beherrschter Wut leuchteten. Stumm, aufgewühlt ritt ich an seiner Seite, schwankend in hilfloser Erschöpfung, wie jemand, der von einer starken Strömung erfasst wird und keine Kraft mehr besitzt, ihr Widerstand zu leisten.
    Vor dem Haupteingang ließen wir die Pferde halten. Als wir aus dem Sattel stiegen, trat eine schlanke Gestalt mit einem Schwert in der Hand aus dem Schatten. Tsuki-Yomi, in Trauergewänder gehüllt, verbeugte sich vor dem Prinzen mit kühler Höflichkeit. Der Widerschein der Fackeln zuckte über sein abgezehrtes Antlitz. Der stumpfe Blick, die blassen Lippen zeugten von der durchgestandenen Not, doch die Worte, mit denen er dem Tungusenfürst seine Dankbarkeit aussprach, klangen unbeirrt gelassen.
    Â»Euer großherziges Eingreifen hat unser Volk vor dem Schlimmsten bewahrt. Wir alle beglückwünschen Euch zu Eurem Sieg und bitten die Große Göttin, Euch noch unzählige zu bescheren.«
    Ein abfälliges Lächeln verzog Iris Mund. Er hatte seine Kaltblütigkeit zurückgewonnen und dankte verbindlich, bevor er in schneidendem Ton hinzufügte:
    Â»Möge Eure Hoheit mir gestatten, ein Anliegen

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