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Im Zeichen der Sechs

Im Zeichen der Sechs

Titel: Im Zeichen der Sechs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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Presto.
    »Und er ist inzwischen ohne Zweifel im Besitz des falschen Sohar, das wir auf den Gleisen zurückgelassen haben«, ergänzte Doyle. »Weiß man, als wer er sich ausgab?«
    Mit seinem blitzenden Lächeln und einer schwungvollen, eines Magiers würdigen Bewegung zauberte Presto eine Visitenkarte aus der Luft. »Mr. Frederick Schwarzkirk, Sammler. Kein weiterer Titel. Büro in Chicago.«
    »Schwarzkirk? Komischer Name.«
    »Er bedeutet ›schwarze Kirche‹«, erklärte Jack.
    Doyle und Jack sahen einander an. Der Traum, der Turm. Das war kein Zufall. Schweigen erfüllte das Zimmer.
    »Führt Ihre Tournee Sie auch nach Chicago?« fragte Jack.
    »Zufällig ja«, antwortete Doyle.
    »Wir reisen morgen ab«, sagte Innes.
    »Wir kommen mit«, sagte Jack.
    »Ausgezeichnet«, sagte Doyle. Jack starrte ihn unausgesetzt an. »Was ist denn?«
    »Ich möchte Sie heute abend noch mit jemandem bekannt machen.«
    »Ziemlich spät für einen gesellschaftlichen Besuch.«
    »Mein Freund führt ein unregelmäßiges Leben«, sagte Jack. »Sind Sie dabei?«
    Doyle sah Innes an, der vor Eifer fast aus den Nähten platzte. .
    »Sie gehen voraus«, sagte er.
    Der Wind war kälter geworden, als sie in Richtung Central Park hinauffuhren und dort nach Westen abbogen; die Straßen waren leer, und das Laub begann sich zu verfärben.
    Aber selbst in dieser Verlassenheit spürte man die ungeheure, rastlose Dynamik dieser Stadt, dachte Doyle; sie vibrierte durch den Boden herauf wie das Summen einer gewaltigen Turbine.
    Während sie an den Reihen der Palazzi und Villen in der Fifth Avenue vorbeitrabten, spürte er stechende Selbstvorwürfe, denn er erkannte, daß ein Teil seiner selbst sich immer noch nach einem in solchen Dimensionen bemessenen Lebensstil sehnte. Die Häuser der herrschenden Klasse standen schweigend wie mittelalterliche Festungen, Tempel der Eitelkeit und der Habgier, die einem die Augen übergehen ließen – und jawohl, er wollte immer noch eins. In England behandelten die Reichen ihr Vermögen diskret und versteckten sich taktvoll auf dem Land hinter hohen Hecken – Doyle hatte jetzt selbst ein Landhaus, wenn auch ein bescheidendes. In Amerika aber feierten sich die Räuberbarone mit diesen Monumenten an der verkehrsreichsten Straße der Welt: Bei Gott, seht mich an, ich hab’s geschafft! Ich habe die Bank gesprengt! Die Götter in ihrem eigenen Spiel besiegt!
    Zahlreiche Telefondrähte, zwischen den Villen und der Straße gespannt, verbanden die Reichen miteinander vermittels dieses allerneuesten Modeirrsinns. Sie hatten einander kaum etwas zu sagen, wenn sie sich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden, dachte Doyle. Wozu also brauchten sie so viele Telefone?
    Was für ein anstrengendes Leben die Reichen doch führen mußten, von ihrer unsteten Sehnsucht nach Unsterblichkeit zu solchen übermenschlichen Leistungen getrieben. Der Gedanke an all diese irregeleitete Leidenschaft erfüllte Doyle mit Melancholie, bevor er sich korrigierte: Wer war er denn, daß er behauptete, diese Titanen des Unternehmertums irrten sich? Wenn diese große Stadt in zweitausend Jahren zu Staub zerfallen wäre, würde außer diesen weltlichen Tempeln für die Archäologen vielleicht nur noch wenig übrigbleiben, das sie durchsieben könnten, um aus ihren Artefakten das Leben einer toten, weit entfernten Kultur zu weben. Eine Haarbürste, eine Kanne, eine privat in Auftrag gegebene Büste – diese zutiefst persönlichen Besitztümer mochten sich eines Tages hinter Glas wiederfinden, in Reliquien der Anbetung verwandelt. Und wenn nun ein Bruchteil eines Traumes oder – um es schlichter auszudrücken – ein paar elastische Moleküle des Eigentümers, in die Materie des Objekts eingebettet, überlebten? Näher, so erschien es Doyle, konnte man als Mensch an die Unsterblichkeit nicht heranzukommen hoffen; der Körper würde versagen, die Erinnerungen würden verblassen, aber wir würden vielleicht noch Jahrhunderte weiterleben, in Gestalt einer Zahnbürste oder Hutnadel.
    Am Hudson River brachte eine Fähre ihre vierspännige Droschke hinüber zu den Palisades, den Uferklippen von New Jersey. Die vier Männer verfielen in den Rhythmus einer langen Kutschfahrt durch die finstere Nacht. Niemand außer Jack wußte, wohin die Reise ging, und er saß über ihnen auf dem Kutschbock, die Zügel locker in den verstümmelten Fingern. Während der Fahrt unterhielt Presto sie mit Geschichten von den Fürsten und Maharanis von Gwalior und

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