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Im Zeichen der Sechs

Im Zeichen der Sechs

Titel: Im Zeichen der Sechs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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verschränkte die Arme vor der Brust.
    Jetzt habe ich ihn in der Schlinge.
    Doyle hob einen Fuß und betrachtete die Schnürsenkel an seinem Stiefel.
    Jack atmete schwer aus.
    Zeit für den Gnadenstoß.
    Doyle begann zu summen. Ziellos, ohne Melodie. Ein bißchen von diesem, ein Fetzen von jenem, überhaupt nichts. Nadeln, unter die Fingernägel getrieben, hätten keine größere Wirkung haben können. Drei Minuten ging es so, und dann …
    »Ich meine, wirklich«, sagte Jack.
    »Was?«
    »Muß das sein?«
    »Muß was sein?«
    »Versuchen Sie mit Absicht, mich zu ärgern?«
    »Aber das ist ganz und gar nicht meine Absicht, Jack –«
    »Lieber Gott, Mann –«
    »– was meinen Sie denn nur?«
    »Platzen hier herein. Brandy und Zigarre. Dieses abscheuliche Gebrumm. Wir sind doch nicht im Leseraum des Garrick Club.«
    »Oh, ich störe Sie? Tut mir schrecklich leid, alter Freund.«
    Wieder ein geduldiges Lächeln. Nicht die leiseste Andeutung einer Absicht, zu verschwinden. Jack schaute weg. Wieder verging eine Minute. Dann. Doyle bewegte den Kopf leise hin und her – lautlos summend – während er die nicht vorhandene Musik mit dem sanften Schwenken seiner Zigarre dirigierte.
    » Was?« fragte Jack entnervt.
    »Was?«
    »Was wollen Sie?«
    »Nichts, nichts. Absolut zufrieden, alter Freund. Danke, vielen –«
    »Ungeheuerlich. Ungehörig, dieses Eindringen in die Privatsphäre. Überhaupt nicht Ihre Art.«
    Da, als sei ihm ein Thema, das er hatte zur Sprache bringen wollen, unversehens wieder in den Sinn gekommen, fixierte Doyle sein Gegenüber mit wohlwollendem Arztblick und fragte nach einer dramatischen Pause: »Wie ist es Ihnen ergangen, Jack?«
    »Was ist denn das nun für eine zutiefst blödsinnige Frage?«
    »Ich könnte nicht ehrlicherweise behaupten, daß ich mir keine Sorgen um Sie gemacht hätte –«
    ›Jetzt machen Sie mich wirklich böse –«
    »Vielleicht sollte ich es so formulieren, Jack: als Arzt … Sie zeigen da gewisse … Verhaltensformen, die man unwillkürlich bemerken muß …«
    »Was?«
    »Gewisse symptomatische Tendenzen …«
    »Hören Sie auf, um den heißen Brei zu reden, und spucken Sie’s aus: Was wollen Sie sagen?«
    Doyle betrachtete ihn und nickte dabei ein paarmal nachdenklich. »Ich habe den Eindruck, daß Sie mit den Jahren womöglich geistesgestört geworden sind.«
    Selbst in diesem zwielichtigen Dunst sah Doyle, wie Sparks das Blut ins Gesicht schoß wie Quecksilber in einem glutheißen Thermometer; es schien einen ungeheuren Willensakt zu erfordern, um die Tobsucht zu bezähmen, die wie eine Feuerkugel in ihm heraufschoß. Einen angespannten Augenblick lang befürchtete Doyle, seine Strategie könnte nach hinten losgegangen sein und er würde sich physisch zur Wehr setzen müssen; er verstand sich aufs Boxen, aber Jack verstand sich aufs Töten. Statt eines Angriffs richtete sich ein vernarbter, verkrümmter Zeigefinger auf ihn, und eine wuterstickte Stimme sagte:
    »Sie haben … keinen verfluchten … Schimmer … von irgend etwas.« Weiße Flöckchen erschienen in Jacks Mundwinkeln, und er schnaubte wie ein wütender Stier.
    »Ich kenne natürlich die Fakten nicht«, sagte Doyle, und irgendwie gelang es ihm, diesen aufreizend gleichmütigen Tonfall zu bewahren. »Ich habe nur meine Beobachtungen. Was haben Sie mir sonst gegeben, woran ich mich halten könnte?«
    »Möchten Sie gern hören, daß es Zeiten gab, da ich anflehte, was immer als Intelligenz beim Schöpfer dieser Welt gilt, mich sterben zu lassen? Daß ich auf meine blutigen Knie sank und wie ein einfältiger Kaplan zu einem Gott betete, an den ich nicht einmal glaube? Ist es das, was Sie hören wollen, Doyle? Denn das wäre die Wahrheit. Und es freut mich, Ihnen berichten zu können, es gibt keinen Gott von der Sorte, wie sie ihn uns verkaufen wollen, denn nichts, was Ähnlichkeit mit einem solchen Wesen hätte, würde eines seiner Geschöpfe in einem derartigen Zustand am Leben lassen.«
    Richtig, dachte Doyle, jetzt haben wir die Quelle angebohrt.
    »Statt dessen also hat Er Sie … am Leben gelassen, so daß Sie leiden mußten. Ist es das?«
    »Was für eine dumme, gewöhnliche Annahme: Haben Sie kein Wort von dem gehört, was ich Ihnen soeben erzählt habe? Was unser Schicksal angeht, so wird keine Entscheidung getroffen; niemand hat die Führung, kein Wesen, kein Ding ist auch nur Zeuge. Können Sie mich auch nur annähernd verstehen?«
    Doyle starrte ihn wortlos an. Laß ihn reden.
    »Keine große

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