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Im Zeichen der Sechs

Im Zeichen der Sechs

Titel: Im Zeichen der Sechs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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seine Hände gegangen ist, hat sich in ein Buch verwandelt; dessen bin ich sicher«, sagte Stern. »Aber das meiste hiervon waren Geschenke, Spenden von Freunden und diversen Institutionen.«
    »Ein prächtiger Tribut an die Stellung Ihres Vaters als Gelehrter«, sagte Doyle.
    »Eigentlich gibt es keinen zweiten, der in etwa so wäre wie er«, sagte Stern und setzte sich auf einen Schemel. »Nachdem Mutter gestorben war, brachte er immer mehr Zeit allein hier unten zu. Meistens schlief er nachts da drüben auf dem Sofa.« Er deutete auf eine kläglich aussehende Liege in der Ecke. »Um ehrlich zu sein, ich habe nie auch nur zur Hälfte verstanden, wovon er redete. Wenn ich mich mehr bemüht hätte, dann hätte ich es vielleicht verstehen können, und er …« Die Worte blieben ihm im Halse stecken; er ließ den Kopf hängen und versuchte, die Tränen niederzukämpfen.
    »Na, na«, sagte Innes und legte ihm eine Hand auf den Rücken; er stand ihm am nächsten. »Wir finden ihn bestimmt. Unfehlbar. Dieser Haufen gibt nicht auf.«
    Stern nickte dankbar. Sparks wandte sich um und kam geradewegs auf ihn zu, ohne die Gefühlsregung des Mannes zur Kenntnis zu nehmen.
    »Die Studiermethode Ihres Vaters«, sagte er. »Er hat sich beim Lesen Notizen gemacht.«
    »Ja. Bände voll.«
    »Mit dem Stift in der Linken. Und auf diesem Stuhl.« Sparks ging zu einem Stuhl am Tisch.
    »Woher wissen Sie das?«
    »Die Armlehnen sind abgenutzt, und die linke ist verschrammt. Er trug einen langen Gehrock mit Knöpfen am Ärmel.«
    »Ja, den trug er fast immer. Meist hat er hier unten gefroren – schwacher Kreislauf, meinte der Arzt, aber um die Wahrheit zu sagen, Vater war immer ein Hypochonder.«
    Hat sein Beobachtungsgeschick nicht verloren, dachte Doyle. Sparks setzte sich auf Rabbi Sterns Stuhl und betrachtete die Bücher, die bunt durcheinander vor ihm auf dem Tisch lagen. Er sah genauer hin, griff zu und hob ein Buch von dem Stapel hoch. Darunter kam ein Block weißes, liniertes Papier zum Vorschein.
    »Schauen Sie sich das an«, sagte er. Doyle und Stern traten zu ihm. Das Papier war übersät von Skizzen, Kringeln, gekritzelten Sätzen, Fetzen von akademischem Kauderwelsch; die Zeichnungen waren von überraschend fachmännischer und detaillierter Qualität.
    »Ja, Vater hat so etwas beim Arbeiten oft gemacht«, sagte Stern. »Irgendwelche sonderbaren Sachen gezeichnet, während er etwas durchdachte – darin war er sehr geschickt. Als Junge habe ich immer dabeigesessen und zugeschaut; er zeichnete Straßenszenen, Gesichter, Passanten.«
    Zwei Bilder beherrschten die Seite: ein großer Baum mit herabhängenden, entblößten Ästen, an denen zehn runde weiße Kugeln hingen, in einem geometrischen Muster angeordnet und durch gerade Linien miteinander verbunden.
    »Das ist der Baum des Lebens«, sagte Stern. »Ein Bild, das ich in kabbalistischen Büchern gesehen habe. Ich fürchte, ich könnte Ihnen nicht einmal ungefähr sagen, was es zu bedeuten hat.«
    Das andere Bild zeigte eine schwarze Burg, starr und abweisend, ein einziges erleuchtetes Fenster oben im höchsten Turm. Sparks starrte es mit schmalen Augen an.
    »Sieht aus wie – wie heißt es gleich? Sie wissen doch«, sagte Innes und schnippte mit den Fingern. »Der Zwerg und das hübsche Mädchen …«
    »Rumpelstilzchen?« sagte Stern.
    »Rapunzel, laß dein Haar herunter, und so weiter«, sagte Innes.
    Doyle wandte den Blick nicht von Sparks. Irgend etwas rumorte bei ihm aus der Tiefe herauf.
    »Was bedeutet das hier?« fragte Sparks und zeigte auf ein fett gezeichnetes keilförmiges Symbol unter dem Bild der Burg.
    » Schischah«, sagte Stern. »Das ist das hebräische Wort für sechs.«
    »Für die Zahl sechs?« fragte Sparks.
    »Ja«, sagte Stern. »Es hat noch andere Bedeutungen im kabbalistischen Sinn, aber dazu müßte man ein Gelehrter sein –«
    Sparks stand jäh auf und sprang vom Tisch zurück. Stuhlbeine scharrten kreischend über den Boden. Er starrte hinüber zum Bett in der Ecke, und ein wilder, fassungsloser Ausdruck ging durch seinen Blick, als habe er einen Geist gesehen.
    »Jack? Ist alles in Ordnung?« fragte Doyle.
    Sparks gab keine Antwort. Die Anspannung, die er ausstrahlte, durchdrang den ganzen Raum. Irgendwo tropfte rhythmisch ein Wasserhahn, und es klang so laut wie Pistolenschüsse.
    »Wo ist das Gerona Sohar?« fragte Sparks.
    »Im Tresor in meinem Büro«, sagte Stern. »Ein paar Straßen weiter nördlich.«
    »Ich muß es sehen.

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