Im Zeichen der Wikinger
kommt es mir fast so vor, als ließen sie sich versklaven, ohne sich dessen bewusst zu sein.«
»Hat Cerberus keine Schwierigkeiten mit den Gewerkschaften?«
»Die Gewerkschaften haben bei Cerberus bislang kein Bein auf den Boden gebracht. Wenn irgendein Funktionär dort vorspricht, wird von Seiten der Geschäftsleitung sofort klargestellt, dass zwar niemand entlassen wird, der sich gewerkschaftlich organisiert, aber er verliert seine Prämien und Vergünstigungen, und die machen, wie ich bereits sagte, einen Gutteil seines Gehalts aus. Wenn ein alter Angestellter ausscheidet oder stirbt, tritt für gewöhnlich eines seiner Kinder seinen Posten an. Daher ist es schwer, das innere Gefüge der Firma aufzubrechen. Das Verhältnis zwischen Firmenleitung und Angestellten, bis hinunter zum Pförtner, ist fast so ähnlich wie zwischen einem Pfarrer und seiner Gemeinde. Das Unternehmen genießt eine geradezu religiöse Verehrung. Nach Ansicht der Mitarbeiter kann Cerberus nichts Übles tun.«
»Wie haben Sie und Dr. Egan es geschafft, nach Ihrem Ausscheiden aus der Firma so lange zu überleben?«
»Weil uns der Mann, der das Unternehmen leitet, in Ruhe ließ, da er vorhatte, die Formel für das Öl und die Entwürfe für Elmores Maschinen zu stehlen, wann es ihm beliebte.«
»Aber warum hat er gewartet, bis Dr. Egans Maschinen so weit ausgereift waren, dass sie in die
Emerald Dolphin
eingebaut wurden?«
»Damit man das Schiff zerstören und die Schuld auf die Maschinen schieben kann«, erwiderte Thomas. »Wenn die Maschinen als unzuverlässig gelten, schreckt das mögliche Käufer ab, und die Firma kann die Patente für ein Butterbrot ergattern.«
»Aber der Brand ist nicht im Maschinenraum ausgebrochen.«
»Das habe ich nicht gewusst«, erwiderte Thomas verblüfft.
»Wenn das so ist, kann ich nur vermuten, dass der Brandanschlag auf das Schiff irgendwie missglückt ist, nicht so ablief, wie vorgesehen. Doch das ist nur eine Mutmaßung.«
»Aber möglicherweise gar nicht so schlecht«, meinte Pitt.
»Wir haben einen Brandsatz in der Schiffskapelle gefunden, wo nach Aussage der Besatzung das Feuer ausbrach. Vielleicht hat man eine ganze Reihe davon angebracht, die nach und nach gezündet werden sollten, im Maschinenraum angefangen und dann weiter zu den oberen Decks, bis schließlich die Schiffskapelle in Flammen aufgehen sollte. Aber irgendwas ist dabei schief gegangen.«
Pitt sprach es nicht aus, aber mit einem Mal wurde ihm klar, dass dieser fehlgeschlagene Versuch, die magnetohydrodynamischen Maschinen für die Katastrophe verantwortlich zu machen, ein weiterer Grund dafür sein könnte, dass das Schiff versenkt wurde, bevor es zu einer offiziellen Untersuchung kam.
Als Thomas wieder das Wort ergriff, sprach er so leise, dass Pitt ihn kaum verstehen konnte. »Hoffentlich unternehmen sie auf die
Golden Marlin
nicht ebenfalls einen Anschlag.«
»Das neue Luxus-Unterseeboot für Kreuzfahrten unter Wasser?«
»Ja, es läuft in zwei Tagen zu seiner Jungfernfahrt aus.«
»Wieso machst du dir Sorgen?«, fragte Kelly.
Thomas blickte sie an. »Weißt du etwa nicht Bescheid?«
»Worüber?«
»Die
Golden Marlin
ist im Besitz der Blue Seas Cruise Lines.
Auch sie ist mit den Maschinen ausgerüstet, die Elmore und ich entwickelt haben.«
28
Pitt verständigte unverzüglich Admiral Sandecker, der einen NUMA-Jet losschickte und ihn am Gene Taylor Field abholen ließ. Kelly fuhr auf dem Rückweg noch schneller und traf trotzdem nur wenige Minuten vor der Landung der Maschine ein. Sie bestand darauf, dass sie von Nutzen sein könnte, und ließ sich trotz Pitts Einsprüchen nicht davon abbringen, ihn nach Washington zu begleiten.
Giordino und Rudi Gunn warteten bereits auf dem Vorfeld, als die Maschine aus dem Langley Field ausrollte. Sobald sie an Bord waren, startete der Jet wieder und flog in Richtung Süden, nach Fort Lauderdale, Florida, zum Hauptsitz der Blue Seas Cruise Lines. Gunn hatte dafür gesorgt, dass dort ein Lincoln Town Car für sie bereitstand, und nur wenige Minuten nach der Landung des Jets saß Giordino am Steuer und fuhr sie in Richtung Hafen.
Das Verwaltungsgebäude der Blue Seas stand auf einer Insel und ragte rund zweihundertsiebzig Meter über den Kais auf, an denen die Kreuzfahrtschiffe der Reederei lagen. Mit dem außen angebrachten, großen Fahrstuhlschacht, der wie ein Mast zum Himmel ragte, und den geschwungenen, größtenteils verglasten Wänden wirkte es wie ein riesiges Segelboot.
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