Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
schwang ein großes, scharfes Schwert, dachte Mark Gant, und jeder der Anwesenden wusste das. Der Trade Reform Act gestattete es der Regierung, die Handelsbestimmungen jeder beliebigen Nation so, wie sie sich auf amerikanische Güter auswirkten, spiegelgleich auf die Güter der betreffenden Nation anzuwenden. Es war die internationale Bestätigung des alten Sprichworts, dass der Schuh durchaus zu klein sein konnte, wenn er am anderen Fuß steckte. In diesem Fall hieß das: Alles, was China unternahm, um amerikanische Produkte vom chinesischen Markt auszuschließen, würde dazu führen, dass man in Amerika mit chinesischen Produkten auf dieselbe Weise verfuhr. Und mit einem Handelsüberschuss von siebzig Milliarden Dollar pro Jahr konnte das sehr wohl siebzig Milliarden Dollar bedeuten – alles davon bare Münze. Geld, mit dem die Volksrepublik in Amerika und anderswo Güter einkaufen wollte, wäre plötzlich nicht mehr da. Handel würde tatsächlich Handel werden, eins von meinem für eins von deinem.
»Wenn Amerika ein Embargo über China verhängt«, schoss Shen zurück, »kann China mit Amerika genauso verfahren.«
»Was weder Ihnen noch uns nutzt«, entgegnete Rutledge. Die Tour zieht bei uns nicht , brauchte er nicht extra hinzuzufügen. Der Chinese wusste sehr genau, wie der Hase lief.
»Und was ist mit einem Status als bevorzugte Nation für unser Land?«, wollte der chinesische Außenminister wissen. »Was ist mit unserer Aufnahme in die Welthandelsorganisation WTO?«
»Herr Minister, Amerika kann Ihr Land nicht bevorzugt behandeln, solange es offene Exportmärkte erwartet und gleichzeitig seine Importmärkte schließt. Handel bedeutet Handel , den gleichwertigen Austausch Ihrer Güter gegen unsere«, beharrte Rutledge – seinen Schätzungen zufolge etwa zum zwölften Mal seit dem Mittagessen. Vielleicht würde es Shen ja diesmal kapieren. Doch das war unfair. Er hatte es längst kapiert. Er wollte sich nur nicht damit abfinden. Das war nichts weiter als landesübliche chinesische Politik auf internationaler Ebene.
»Und wieder wollen Sie der Volksrepublik etwas diktieren!«, entgegnete Shen mit einigem Ärger, ob nun echt oder gespielt.
»Nein, Herr Minister, das tun wir nicht. Sie sind derjenige, der den Vereinigten Staaten von Amerika etwas zu diktieren versucht. Sie sagen, wir müssen Ihre Handelsbedingungen akzeptieren. Was das angeht, Herr Minister, täuschen Sie sich. Wir sehen ebenso wenig eine Notwendigkeit, Ihre Güter zu kaufen, wie Sie die Notwendigkeit sehen, unsere zu kaufen.« Nur dass du unser Geld wesentlich dringender brauchst als wir eure Kauhilfen für unsere verdammten Hunde!
»Wir können unsere Passagierflugzeuge statt von Boeing auch von Airbus kaufen.«
Langsam hatte Rutledge die Nase voll. Am liebsten hätte er erwidert: Und womit willst du sie ohne unsere Dollar bezahlen? Allerdings gewährte Airbus seinen Kunden hervorragende Kreditkonditionen, eine weitere Spielart des Handels-›Fair‹play eines staatlich subventionierten europäischen Unternehmens gegenüber einem privaten amerikanischen Konzern. Deshalb sagte er stattdessen:
»Ja, Herr Minister, das können Sie tun, und wir können genauso gut in Taiwan, Korea, Thailand oder Singapur Güter kaufen, wie wir sie hier kaufen können.« Und dort kaufen sie ihre Flugzeuge von Boeing! »Aber das dient weder den Bedürfnissen Ihres Volkes noch unseres«, schloss er.
»Wir sind eine souveräne Nation und ein souveränes Volk«, machte Shen im selben Stil wie bisher weiter. Rutledge nahm an, dass diese hohle Rhetorik einzig und allein dem Zweck diente, den Gegner einzulullen. Doch Rutledge hatte Anweisung, sich nicht von diesem diplomatischen Zirkus beeindrucken zu lassen, was der Chinese jedoch noch nicht begriffen hatte. Vielleicht in ein paar Tagen, dachte er.
»Genau wie wir, Herr Minister«, erklärte Rutledge, als Shen zu Ende gesprochen hatte. Dann sah er demonstrativ auf die Uhr, und Shen griff den Hinweis auf.
»Ich schlage vor, wir vertagen uns auf morgen«, erklärte der Außenminister der Volksrepublik.
»Gut. Ich freue mich schon auf das morgige Wiedersehen mit Ihnen, Herr Minister.« Mit diesen Worten stand Rutledge auf und beugte sich über den Tisch, um Shen die Hand zu schütteln. Der Rest der Delegation folgte seinem Beispiel, nur Mark Gant hatte kein Gegenüber, zu dem er nett sein konnte. Die amerikanische Abordnung eilte aus dem Saal und zu den wartenden Autos hinaus.
»War ja richtig aufregend«,
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