Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
den Geheimdienst arbeitete, war das eine altbekannte Geschichte. Klar, sie war paranoid, aber war sie paranoid genug ?
Wie zu erwarten, gab es eine weitere E-Mail von cgood@jadecastle. com. Chet Nomuri war also weiterhin im Geschäft. Der Download dauerte lediglich 23 Sekunden. Anschließend vergewisserte MP sich, dass sie alles gespeichert hatte, um es dann aus ihrer In-Box zu werfen, damit nicht einmal im Äther irgendwelche Kopien herumschwirrten. Als Nächstes druckte sie alles aus und ließ Joshua Sears kommen, damit er es übersetzte und eine erste Analyse abgab. Was das Handling anging, war SORGE trotz aller Wichtigkeit Routine geworden, und bis Viertel vor neun hatte sie die Übersetzung in der Hand.
»Ach, herrje. Da wird Jack wieder begeistert sein«, bemerkte sie. Dann stand sie von ihrem Schreibtisch auf und brachte das Dokument in Eds Büro mit dem Blick auf die Bäume. Bei dieser Gelegenheit erfuhr sie auch von dem Nachmittagsausflug ins Weiße Haus.
Mary Abbot war die offizielle Make-up-Stylistin des Weißen Hauses. Ihre Aufgabe war es, den Präsidenten im Fernsehen gut aussehen zu lassen, was nichts anderes hieß, als ihn wie eine billige Hure aufzudonnern. Aber daran ließ sich nun mal nichts ändern. Ryan hatte gelernt, still zu sitzen, was ihr die Arbeit leichter machte, aber diesmal kostete es ihn sichtliche Mühe, was sie sowohl amüsierte als auch beunruhigte.
»Wie geht es Ihrem Sohn in der Schule?«, erkundigte sich Ryan.
»Gut, danke. Seit Neustem interessiert er sich für ein nettes Mädchen.«
Ryan enthielt sich eines Kommentars. Er wusste, dass es in St. Mary’s garantiert den einen oder sogar mehrere Jungen gab, die seine Sally bestimmt hoch interessant fanden, aber darüber wollte er lieber nicht nachdenken. Umso mehr wusste er in der Beziehung den Secret Service zu schätzen. Immer wenn Sally zu einer Verabredung ging, hielt sich mindestens ein Observierungswagen voller bewaffneter Agenten in ihrer Nähe. Und das genügte allemal, um einen Halbwüchsigen nicht auf dumme Gedanken kommen zu lassen. Demnach hatte der USSS also durchaus auch seine Vorteile. Töchter, dachte Ryan, waren Gottes Strafe dafür, dass man ein Mann war. Er überflog seine Briefingunterlagen für die Pressekonferenz, die zu erwartenden Fragen und die bestmöglichen Antworten darauf. Ihm kam das sehr verlogen vor, aber einige ausländische Regierungschefs ließen sich die Fragen sogar schon vorher stellen, damit sie die Antworten entsprechend vorbereiten konnten. Theoretisch gar keine so schlechte Idee, dachte Ryan, aber die amerikanischen Medien würden sich darauf etwa mit derselben Begeisterung stürzen wie ein Kojote auf einen Wal.
»So«, sagte Mrs. Abbot, als sie mit seinem Haar fertig war. Ryan stand auf, sah in den Spiegel und schnitt wie üblich eine Grimasse.
»Danke, Mary«, schaffte er zu sagen.
»Keine Ursache, Mr. President.«
Ryan ging vom Roosevelt Room über den Gang ins Oval Office, wo die Fernsehkameras aufgebaut waren. Als er eintrat, standen die Journalisten auf, wie die Kinder in St. Matthew’s aufgestanden waren, wenn der Geistliche ins Klassenzimmer gekommen war. Aber in der dritten Klasse stellten die Kinder leichtere Fragen. Ryan setzte sich in einen federnden Drehstuhl. So etwas Ähnliches hatte auch Kennedy gemacht, und Arnie van Damm hatte es für Ryan übernommen. Das gemächliche Schaukeln verlieh dem Betreffenden etwas Vertrauenserweckendes, Anheimelndes, fanden die Psychologen – Ryan wusste das nicht, und hätte er es erfahren, hätte er den Stuhl kurzerhand aus dem Fenster geworfen. Aber van Damm wusste es und hatte den Präsidenten dazu überredet, indem er ihm einfach sagte, es sähe gut aus, und Cathy Ryan ebenfalls davon überzeugte. Wie auch immer, SWORDSMAN nahm auf dem Stuhl Platz und machte es sich bequem, was der andere Grund war, warum van Damm ihn ihm hatte aufschwatzen können, und der wahre Grund, warum Ryan einverstanden gewesen war.
»Können wir?«, fragte Ryan.
Krystin Matthews war für NBC hier. Auch Vertreter von ABC und Fox waren anwesend sowie ein Pressejournalist vom Chicago Tribune . Ryan waren diese intimeren Pressekonferenzen lieber, und die Medien machten mit, weil die Journalisten fairerweise nach dem Losverfahren zugelassen wurden und jeder Zugang zu den Fragen und Antworten hatte. Der andere Vorteil aus Ryans Sicht war, dass ein Journalist im Oval Office weniger leicht auf Konfrontationskurs ging als in der ruppigeren
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