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Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)

Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)

Titel: Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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im Raum saßen. Wie adlige Herrscher vergangener Zeiten wurden alle von getreuen Dienern begleitet, die an der Wand des Sitzungszimmers saßen und auf den Befehl warteten, Tee oder Wasser zu bringen. Die Machtposition eines jeden Politbüromitglieds basierte auf der Tatsache, dass es Einfluss auf die Verteidigungspolitik, die Innenpolitik oder auf die Schwerindustrie hatte oder, wie in Fangs Fall, über die richtigen Beziehungen und große politische Erfahrung verfügte. Jeder hatte lange und hart gearbeitet, um an diesen Punkt zu kommen, und jeder wollte sich ebenso wenig mit dem Gedanken abfinden, das Erreichte zu verlieren, wie ein Provinzstatthalter der Ch’in-Dy-nastie mit der Vorstellung, wieder zu einem bloßen Mandarin degradiert zu werden, was auf jeden Fall tiefe Schande, wenn nicht sogar den Tod bedeutet hätte. Diese Männer wussten, dass ihre Macht Einbußen erleiden würde, wenn eine fremde Macht innenpolitische Zugeständnisse forderte und zugestanden bekam. Und genau das galt es mit allen Mitteln zu vermeiden. Sie regierten die Arbeiter und Bauern und deswegen fürchteten sie sie auch. Die Herrscher vergangener Zeiten hatten sich auf die Lehren Konfuzius’ oder Buddhas berufen können, auf eine spirituelle Begründung ihrer weltlichen Macht. Aber Marx und Mao hatten das alles für null und nichtig erklärt und nur ihre Macht zur Rechtfertigung ihrer privilegierten Stellung angeführt. Und was würde nun geschehen, wenn sie zur Erhaltung des Wohlstands ihres Landes etwas von dieser Macht aufgeben müssten? Die Mitglieder des Parteibüros wussten es nicht und sie fürchteten sich vor dem Unbekannten mindestens ebenso sehr, wie sich ein Kind nachts vor den bösen Ungeheuern unter seinem Bett fürchtet – nur dass die Furcht in ihrem Fall wesentlich begründeter war. Es war noch gar nicht so viele Jahre her, dass es hier in Peking zu heftigen Unruhen gekommen war. Nicht einer dieser Männer hatte es vergessen. Nach außen hin hatten sie immer unbeirrbare Entschlossenheit demonstriert. Aber wenn sie allein waren, morgens vor dem Spiegel im Bad oder nachts vor dem Einschlafen, hatte es jeder von ihnen mit der Angst zu tun bekommen. Denn so sehr sie sich auch in der Ergebenheit der Arbeiter und Bauern sonnen mochten, wussten sie dennoch, dass die Arbeiter und Bauern sie zwar fürchteten, aber auch hassten. Wegen ihrer Arroganz, ihrer Korruptheit, ihrer Privilegien, ihres besseren Essens, ihrer luxuriösen Häuser, ihrer persönlichen Diener. Auch ihre Diener, das wussten sie alle, verachteten sie, und zwar ungeachtet all der lächelnden und unterwürfigen Ergebenheit, hinter der sich jederzeit ein Dolch verbergen konnte. Die Revolutionäre ein Jahrhundert zuvor hatten sich diesen Hass bei ihrem Kampf gegen die Klassenfeinde zunutze gemacht, und die Genossen waren sich sehr wohl der Tatsache bewusst, dass andere sich nun dieselbe stumme Verbitterung gegen sie zunutze machen konnten. Und deshalb würden sie sich genauso verzweifelt wie die Herrscher vergangener Zeiten an die Macht klammern, mit dem einzigen Unterschied, dass sie es noch unerbittlicher tun mussten, weil sie im Gegensatz zu den Adligen nirgendwohin fliehen konnten. Ihre Ideologie hielt sie noch unausweichlicher in ihren goldenen Käfigen gefangen, als dies irgendeine Religion vermocht hätte.
    Fang hatte sich mit all diesen Gedanken nie in ihrer Gesamtheit auseinandergesetzt. Wie die anderen hatte er sich große Sorgen gemacht, als die Studenten zu demonstrieren begonnen und ihre ›Freiheitsgöttin‹ aus Gips oder Pappmaché gebaut hatten – aus was genau, wusste Fang nicht mehr. Aber umso besser konnte er sich an den erleichterten Seufzer erinnern, mit dem er die Nachricht aufgenommen hatte, dass die Volksbefreiungsarmee sie zerstört hatte. Die Einsicht, wie sehr er ein Gefangener dieses Ortes war, kam überraschend für ihn. Die Macht, die er und seine Kollegen ausübten, war wie etwas, das vor einen Spiegel gehalten wurde, der unter den entsprechenden Umständen von einem Moment auf den anderen gegen sie gekehrt werden konnte. Sie hatten ungeheure Macht über jeden Bewohner ihres Landes, aber diese Macht war eine Illusion …
    Doch nein, sie durften nicht zulassen, dass ihnen ein anderes Land ihre Politik diktierte, weil ihrer aller Leben von dieser Illusion abhing.
    Aber Fang sah auch, dass es keinen Ausweg gab. Wenn sie den Amerikanern keine Zugeständnisse machten, würden ihrem Land Weizen und Öl ausgehen und wahrscheinlich

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