Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
aber nicht in jüngster Zeit. Ich könnte nicht behaupten, dass ich diese Leute jemals wirklich verstanden habe.« Golowko las den Bericht zu Ende und legte ihn beiseite. »Kann ich das behalten?«
»Ja«, antwortete Clark.
»Warum gibt uns Ryan das?«
»Ich nehme an, das Motiv geht aus der Nachricht hervor. Amerika möchte nicht, dass Russland ein Leid zustößt.«
»Sehr anständig von Ihnen. Welche Konzessionen erwarten Sie dafür?«
»Keine, von denen ich wüsste.«
»Wissen Sie«, bemerkte Chavez, »manchmal möchte man einfach nur ein guter Nachbar sein.«
»Auf dieser hohen Ebene?«, fragte Golowko skeptisch.
»Warum nicht? Es dient nicht den amerikanischen Interessen, wenn Russland verkrüppelt und ausgeplündert wird. Wie groß sind diese Öl- und Goldvorkommen eigentlich?«
»Riesig«, antwortete Golowko. »Es wundert mich nicht, dass Sie davon erfahren haben. Unsere Bemühungen um Geheimhaltung waren nicht sehr intensiv. Das Ölvorkommen entspricht in etwa den Reserven der Saudis, und die Goldmine ist sehr reich. Potentiell könnten diese Funde unsere Wirtschaft sanieren und uns zu einer wirklich reichen Nation und einem ebenbürtigen Partner Amerikas machen.«
»Dann wissen Sie, warum Jack Ryan Ihnen das geschickt hat. Es ist für uns beide besser, wenn es Russland gut geht.«
»Wirklich?« Golowko war ein intelligenter Mann, aber er war in einer Welt aufgewachsen, in der sich Amerika und Russland oft gegenseitig den Tod gewünscht hatten. Solche Gedanken ließen sich nur langsam abstellen, selbst in einem so beweglichen Geist wie seinem.
»Wirklich«, versicherte ihm Clark. »Russland ist eine große Nation. Sie sind ebenbürtige Partner für uns.« Er fügte nicht hinzu, dass Amerika, sollte Russland aus eigener Kraft zu Wohlstand gelangen, ihm nicht mehr aus der Patsche zu helfen brauchte. Die westliche Großmacht musste nur noch seine praktische Erfahrung und seinen Rat zur Verfügung stellen, damit Russland mit beiden Beinen und offenen Augen in die kapitalistische Welt eintreten konnte.
»Ist das von dem Mann, der dem KGB-Vorsitzenden dabei geholfen hat, überzulaufen?«, fragte Golowko.
»Sergei, das war etwas rein Geschäftliches, nichts Persönliches, wie wir bei uns zu Hause sagen. Ich habe nichts gegen Russen, und Sie würden kaum nur zum Vergnügen einen Amerikaner töten, oder?«
Die Antwort klang ungehalten. »Natürlich nicht. Das wäre nekulturnij .«
»Und wir sehen das ganz genauso.«
»Schauen Sie«, schaltete sich an dieser Stelle Chavez ein. »Als ich noch grün hinter den Ohren war, wurde ich dazu ausgebildet, Ihre Leute umzubringen. Aber, falls Sie’s noch nicht gemerkt haben, wir sind keine Feinde mehr. Und wenn wir keine Feinde mehr sind, können wir Freunde sein. Sie haben uns doch damals bei den Konflikten mit Japan und dem Iran auch geholfen.«
»Ja, aber weil wir wussten, dass das in letzter Konsequenz eigentlich gegen uns gerichtet war. Und deshalb war es in unserem nationalen Interesse.«
»Vielleicht haben es die Chinesen in letzter Konsequenz auch auf uns abgesehen? Demnach liegt die Angelegenheit hier in unserem Interesse. Wahrscheinlich mögen sie uns genauso wenig wie Sie.«
Golowko nickte. »Ja, sie fühlen sich den anderen Völkern überlegen.«
»So zu denken ist ziemlich gefährlich, Mann. Rassismus heißt nichts anderes, als dass Feinde nur Insekten sind, die es zu klatschen gilt.« Chavez schaffte es immer wieder, Clark mit seiner Mischung aus East-L. A.-Slang und akademischer Analyse der jeweiligen Situation zu beeindrucken. »Nicht mal Karl Marx hat behauptet, er wäre bloß wegen seiner Hautfarbe was Besseres als irgendjemand anders.«
»Mao schon«, fügte Golowko hinzu.
»Das überrascht mich überhaupt nicht«, fuhr Chavez fort. »Ich hab in der Schule die Mao-Bibel gelesen. Er wollte nicht nur ein politischer Führer sein. Er wollte Gott sein. Da hat ihm sein Größenwahn wohl etwas den Verstand vernebelt – soll aber öfter vorkommen bei Leuten, die andere Länder einnehmen wollen.«
»Lenin war kein solcher Mann, aber Stalin schon«, bemerkte Golowko. »Dann ist also Iwan Emmetowitsch ein Freund Russlands. Und was soll ich nun damit anfangen?« Er deutete auf den Bericht in seiner Hand.
»Das bleibt Ihnen überlassen, mein Freund«, sagte Clark.
»Ich muss mit meinem Präsidenten sprechen. Ihrer kommt morgen nach Polen, wenn ich mich nicht irre.«
»Ich glaube ja.«
»Ich muss verschiedene Anrufe tätigen. Danke, dass Sie
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