Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
unumstößlich. Und so etwas hatte Bondarenko selten erlebt.
Der Oberbefehlshaber Fernost wird hiermit angewiesen, alle Vorbereitungen zu treffen, einem solchen Angriff zu begegnen und ihn zurückzuschlagen …
»Womit?«, fragte der General, der immer noch das Blatt Papier in seiner Hand hielt. »Womit, Genossen?« Dann griff er nach dem Hörer des Telefons auf seinem Nachttisch. »In vierzig Minuten möchte ich meinen Stab hier haben«, sagte er zu dem Feldwebel, der sich meldete. Er wollte zunächst noch auf die theatralische Maßnahme verzichten, höchste Alarmbereitschaft zu befehlen. Das hatte Zeit bis nach der Stabsbesprechung. In Gedanken beschäftigte er sich bereits mit dem anstehenden Problem. Das tat er auch beim Urinieren und anschließend beim Rasieren. Seine Gedanken drehten sich in kleinen Kreisen. Das Problem, mit dem er sich herumschlug, während er sich die Stoppeln vom Gesicht schabte, war nicht einfach, vielleicht sogar unmöglich zu lösen. Aber sein Vier-Sterne-Status machte es zu seinem Problem und er wollte nicht, dass sich künftige russische Militärkadetten an ihn als an den General erinnerten, der seiner Aufgabe, das Land gegen einen feindlichen Angriff zu verteidigen, nicht gewachsen gewesen war. Er befand sich schließlich auf diesem Posten, sagte sich Bondarenko, weil er Russlands bester Stratege war. Er hatte schon an einem Krieg teilgenommen und sich dabei so gut bewährt, dass er nicht nur überlebt hatte, sondern auch mit den höchsten Tapferkeitsauszeichnungen des Landes dekoriert worden war. Sein ganzes Leben lang hatte er Militärgeschichte studiert, sogar einige Zeit im Gefechtslaboratorium der Amerikaner in Kalifornien verbracht, eine Einrichtung, die er gern auch für Russland übernommen hätte, da dort Soldaten am besten auf reale Kampfhandlungen vorbereitet werden konnten. Allerdings war vorerst nicht abzusehen, wann sich sein Land so etwas leisten könnte. Bondarenko verfügte über Wissen. Er verfügte über Entschlossenheit. Was ihm fehlte, waren die Mittel. Doch Geschichte wurde nicht von Soldaten geschrieben, die alles zur Verfügung hatten, was sie brauchten, sondern von denen, die es nicht hatten. Wenn die Militärs genügend Streitkräfte befehligen konnten, waren es die politischen Führer, die in die Geschichte eingingen. Gennadi Josifowitsch war Soldat, russischer Soldat. Sein Land war bisher immer überrumpelt worden, weil die politische Führung, aus welchem Grund auch immer, den Krieg nie hatte kommen sehen. Und die Soldaten hatten dann die Suppe auslöffeln dürfen. Eine leise Stimme flüsterte ihm zu, dass er zumindest nicht erschossen würde, wenn er versagte. Stalin war lange tot, und mit ihm die Gepflogenheit, diejenigen zu bestrafen, die zu warnen oder vorzubereiten er versäumt hatte. Doch Bondarenko hörte nicht auf diese Stimme. Der Gedanke an ein mögliches Versagen war eine zu bittere Alternative, als dass er sich damit hätte auseinandersetzen wollen, solange er noch lebte.
Zu den amerikanischen Streitkräften in Europa und im Pazifik fand die SNIE ihren Weg sogar noch schneller als nach Tschabarsowil. Admiral Bartolomeo Vito Mancuso erhielt sie vor einem Abendessen mit dem Gouverneur von Hawaii. Sein Presseoffizier musste diesen Termin umgehend um ein paar Stunden verschieben, damit CINCPAC seinen Stab zusammenrufen konnte.
»Lassen Sie hören, Mike«, forderte Mancuso seinen J-2, Brigadier General Michael Lahr, auf.
»Also, das kommt nicht völlig aus heiterem Himmel, Sir«, begann der Geheimdienstkoordinator. »Ich weiß zwar nichts über die Quelle der Informationen, aber sie sieht nach einer menschlichen auf höchster Ebene aus, vermutlich politischen Charakters. Laut CIA ist sie sehr zuverlässig, und Director Foley arbeitet ziemlich gut. Das heißt, wir müssen das hier unbedingt ernst nehmen.« Lahr machte eine Pause, um einen Schluck Wasser zu trinken.
»Okay, wir wissen, dass die Volksrepublik begehrliche Blicke auf die russischen Bodenschätze in zentralen und nördlichen Teilen Ostsibiriens wirft. Das kommt ihnen angesichts der wirtschaftlichen Probleme, die ihnen aus den Morden in Peking erwachsen sind, sehr zupass. Zudem scheint es, als zögen sich auch ihre anderen Handelspartner von ihnen zurück. Demnach wird es für die Chinesen im Moment wirtschaftlich ziemlich eng, und das war schon immer ein beliebter casus belli , seit es so etwas wie Geschichtsschreibung gibt.«
»Was können wir tun, um sie abzuschrecken?«,
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