Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
Informationen aus Moskau. Sie stammen von amerikanischen Satelliten und ...«
»Verdammt! Ich erinnere mich, dass wir mal eigene Satelliten hatten. Was ist mit der Luftaufklärung?«
»Die Flugzeuge sind bereits auf dem Weg zu uns. Bis morgen Mittag sind sie startklar. Aber können wir sie über chinesisches Gebiet fliegen lassen?«, fragte Oberst Tolkunow.
»Können wir es uns leisten, das nicht zu tun?«, parierte der Oberbefehlshaber der Streitkräfte Fernost mit einer Gegenfrage.
»General«, warf der G-2 ein, »man macht sich Gedanken darüber, dass wir den Chinesen damit zu einer politischen Ausrede für den Angriff verhelfen könnten.«
»Wer macht sich diese Gedanken?«
»Die stavka .«
Bondarenko ließ seinen Kopf auf den Tisch mit den Karten sinken. Er atmete tief ein und schloss drei herrliche Sekunden lang die Augen, doch damit erreichte er lediglich, dass er sich wünschte, doch eine Stunde – oder auch nur eine halbe – schlafen zu dürfen. Mehr will ich doch gar nicht , dachte er, bloß dreißig Minuten .
»Eine politische Ausrede also«, bemerkte er dann. »Wissen Sie, Wladimir Konstantinowitsch, vor langer Zeit schickten die Deutschen einmal Aufklärungsflugzeuge tief ins westliche Russland, um uns vor der Invasion auszuspionieren. Auf unserer Seite gab es eine besondere Jagdfliegerstaffel, die dieselbe Flughöhe erreichen konnte wie die Deutschen, und unser Regimentskommandeur bat um die Erlaubnis, sie abfangen zu dürfen. Ihm wurde auf der Stelle das Kommando entzogen. Wahrscheinlich hatte er noch Glück, dass man ihn nicht sofort erschoss. Doch schließlich wurde aus ihm ein Fliegerass und Held der Sowjetunion, ehe ihn dann doch noch ein deutscher Jäger erwischte. Sie sehen, auch Stalin befürchtete, Hitler zu provozieren!«
»Genosse Oberst?« Köpfe fuhren herum. Es war ein junger Feldwebel mit einem Stapel großformatiger Fotografien auf dem Arm.
»Hierher, schnell!«
Der Feldwebel legte die Bilder auf den Tisch und überdeckte dabei die topografischen Karten, mit denen sich die Anwesenden vier Stunden lang beschäftigt hatten. Die Qualität der Fotos ließ zu wünschen übrig, denn sie waren statt von einem richtigen Fotodrucker von einem Faxgerät übermittelt worden, aber sie war gut genug für ihre Zwecke. Es gab sogar Einlagen, schmale weiße Kästchen mit Legenden in Englisch, um den Unwissenden zu erklären, was auf den hübschen Bildchen zu sehen war. Der Nachrichtenoffizier wurde als Erster daraus schlau.
»Da kommen sie«, flüsterte der Oberst. Er überprüfte die Koordinaten und den Zeitpunkt, die in der rechten unteren Ecke des ersten Fotos angegeben waren. »Das ist eine komplette Panzerdivision, und sie befindet sich« – er wandte sich wieder der Karte zu – »genau hier, wie wir erwartet haben. Ihr Dreh- und Angelpunkt ist Harbin. Nun, anders wäre es auch kaum möglich. All ihre Eisenbahnlinien laufen dort zusammen. Ihr erstes Ziel wird Belogorsk sein.«
»Und dann weiter durch das Tal«, stimmte Bondarenko zu. »Über diesen Pass, dann nach Nordwesten.« Man musste kein Nobelpreisträger sein, um die Marschroute vorherzusagen. Das Gelände schuf Bedingungen, denen sich alle Bestrebungen und Pläne zu beugen hatten. Bondarenko konnte die Überlegungen des feindlichen Kommandeurs durchaus nachvollziehen, denn jeder ausgebildete Soldat erkannte die Konturen auf der Karte und interpretierte sie auf die gleiche Weise. Ebenen waren besser als Hügellandschaften. Offenes Gelände war besser als Wald. Trockenes besser als feuchtes. Entlang der Grenze lag viel hügeliges Terrain, aber dahinter wurde es schnell flacher, außerdem gab es zu viele Täler, die zu einem raschen Vormarsch geradezu einluden. Mit genügend Truppen hätte Bondarenko jedes dieser Täler in eine Todesfalle verwandeln können … falsch, hätte er genügend Truppen, dann würden die Chinesen gar nicht erst an seiner Grenze stehen, sondern in ihren eigenen Verteidigungsanlagen hocken und ihn fürchten. Aber leider sah die Welt für den Oberbefehlshaber der Streitkräfte im Fernen Osten im Augenblick anders aus.
Die 265. Motorisierte Schützendivision lag hundert Kilometer hinter der Grenze. Die Soldaten mussten sich gerade einer verschärften Schießausbildung unterziehen, denn damit ließen sich am schnellsten gute Ergebnisse erzielen. Die Bataillons-und Regimentsoffiziere saßen derweil in ihren Kommandoposten und studierten das Kartenwerk, da Bondarenko sie zum Denken benötigte, nicht
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