Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
sondern auch zahlreiche Dialekte der Umgebung. Am Telefon hätte man ihn für ein Parteimitglied halten können, was immer wieder Irritationen auslöste, weil man hier einfach nicht mit solchen Sprachfähigkeiten rechnete.
Der chinesische Beamte sah, wie der Deutsche den Ring seines Vorgesetzten küsste, der dem jüngeren Kirchenmann daraufhin die Hand gab und ihn umarmte. Offenbar kannten sich die beiden gut. Schepke kannte auch diejenigen, die den Kardinal vom Flughafen abgeholt und hierher begleitet hatten, und dass DiMilo ihm diese Männer nun vorstellte, machte deutlich, dass sich der Kardinal über die hiesigen Verhältnisse nicht ganz im Klaren war. Als das Reisegepäck in die Botschaft gebracht worden war, stieg der Beamte wieder in die Limousine, um sich ins Außenministerium zurückchauffieren zu lassen, wo er seinen Bericht verfassen würde. Er würde schreiben, dass der päpstliche Nuntius ein ältlicher Herr sei, sympathisch, aber nicht besonders intelligent. Mit anderen Worten, ein typischer Diplomat aus dem Westen.
Kaum waren sie ins Haus getreten, tippte Schepke auf sein rechtes Ohr und deutete mit ausgestrecktem Arm im Kreis.
»Überall?«, fragte der Kardinal.
»Ja doch«, antwortete Monsignore Schepke in seiner Muttersprache und schaltete dann auf Griechisch um – Altgriechisch, das schon von Aristoteles gesprochen wurde und mit der modernen Version von heute nur noch entfernt vergleichbar war, eine Sprache, die nur wenige Gelehrte in Oxford oder an anderen Universitäten der westlichen Welt fließend sprechen konnten. »Willkommen, Eminenz.«
»Selbst Flugzeuge brauchen für eine solche Entfernung lange. Warum reisen wir nicht häufiger mit dem Schiff? Es wäre es viel angenehmer, mit einem Schiff von einem Punkt zum anderen zu gelangen.«
»Der Fluch des Fortschritts«, bemerkte der deutsche Priester. Der Flug von Rom nach Peking war nur 40 Minuten länger als der von Rom nach New York, aber der alte Renato setzte irgendwie andere Maßstäbe.
»Mein Begleiter von vorhin … Was können Sie mir über ihn sagen?«
»Sein Name ist Quian. Er ist vierzig, verheiratet, hat einen Sohn. Er ist unser Kontakt im Außenministerium. Ein heller Kopf, gebildet, aber 100-prozentiger Kommunist, Sohn eines Mannes von ähnlichem Kaliber«, sagte Schepke, immer noch auf Altgriechisch, schnell und ohne zu stocken. Er und sein Vorgesetzter wussten, dass ihr Gespräch aller Wahrscheinlichkeit nach aufgezeichnet wurde – dann aber wohl die Experten im Ministerium zum Wahnsinn treiben würde. Nun, was konnten DiMilo und Schepke dafür, dass dort nur altsprachliche Analphabeten saßen?
»Und das Haus ist tatsächlich vollständig verwanzt?«, fragte DiMilo und steuerte auf einen Servierwagen zu, auf dem eine Flasche Rotwein und Gläser standen.
»Davon müssen wir ausgehen«, sagte Schepke und nickte mit dem Kopf, während sich der Kardinal ein Glas einschenkte. »Ich könnte das Haus danach absuchen lassen, aber es ist hier nicht leicht, zuverlässige Leute zu finden, und …« Und diejenigen, die für einen solchen Job in Frage kamen, würden womöglich die alten Wanzen gegen eigene austauschen. Denn an dem, was der Vatikan wusste, waren auch die Amerikaner interessiert, die Briten, Franzosen, Israeli, einfach alle.
Der Vatikan, im Herzen Roms gelegen, ist ein souveräner Staat, weshalb Kardinal DiMilo auch von solchen Ländern als Diplomat respektiert wurde, die religiöse Überzeugungen beargwöhnten oder sogar unterdrückten. Renato Kardinal DiMilo war seit über 40 Jahren Priester und hatte die meiste Zeit davon im auswärtigen Dienst des Vatikans gearbeitet. Sein Talent für Sprachen war selbst in seiner dienstlichen Umgebung etwas Besonderes und jenseits davon ganz und gar außergewöhnlich. Er schnappte fremde Sprachen so leicht auf, dass er kaum verstehen konnte, warum sich andere damit so schwer taten. DiMilo war nicht nur Priester, nicht nur Diplomat, sondern darüber hinaus auch Geheimdienstler, was zwar mehr oder weniger alle Botschafter waren, er aber in besonderem Maße. Es gehörte zu seinen Aufgaben, den Vatikan – und damit den Papst – über das Weltgeschehen auf dem Laufenden zu halten, so dass der Vatikan – und damit der Papst –, wenn nötig, angemessen reagieren und seinen Einfluss geltend machen konnte.
DiMilo kannte den amtierenden Papst sehr gut. Sie waren schon viele Jahre miteinander befreundet gewesen, als dieser zum Pontifex maximus gekürt wurde (was so viel wie
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