Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
und so setzte er MP über sein Vorhaben in Kenntnis, auch auf die Gefahr hin, dass Mary Patricia Foley, die Direktorin der Abteilung für verdeckte Ermittlungen bei der CIA, darüber erröten könnte.
Er entschied sich für ein Restaurant mit westlichem Ambiente. Davon gab es in Peking mittlerweile einige. Dort verkehrten sowohl Einheimische als auch Touristen, die auf vertraute Gerichte Appetit hatten oder sich um ihren Magen-Darm-Trakt Sorgen machten – und das nicht ganz zu Unrecht, wie Nomuri dachte. Die Qualität der Speisen hielt zwar einem Vergleich mit guten amerikanischen Restaurants nicht stand, war aber sehr viel besser als die tiefgefrorene Ratte, die er auf den Tellern vieler kleinerer Esslokale der Stadt vermutete.
Er war vor Ming da und entspannte sich gerade mit Hilfe eines billigen Bourbon, als sie zur Tür hereinkam. Nomuri winkte ihr zu und hoffte, keinen allzu burschikosen Eindruck zu machen. Sie entdeckte ihn und zeigte ein Lächeln, das er durchaus ermutigend fand. Ming freute sich, ihn zu sehen, und damit war Phase eins in der Planung für den heutigen Abend erfolgreich vollzogen. Sie kam an den Tisch, der in einer Ecke im hinteren Teil des Raumes stand. Er stand auf und gab sich gentlemanlike, was ganz und gar ungewöhnlich war in einem Land, in dem Frauen nicht gerade hoch angesehen waren. Nomuri dachte daran, dass hier Neugeborene weiblichen Geschlechts umgebracht wurden. Kaum zu fassen. Aber er wollte diesen Gedanken nicht verdrängen, erinnerte er doch so nachdrücklich daran, wer die Guten in dieser Welt waren und wer die Bösen.
»Schön, Sie zu sehen«, sagte er mit freundlichem Lächeln. »Ich hatte schon gefürchtet, Sie würden nicht kommen.«
»Ach, wieso?«
»Nun, Ihr Vorgesetzter … ich dachte, dass er Sie … womöglich noch braucht«, stammelte Nomuri einstudiert, was aber nicht herauszuhören war. Sie kicherte ein bisschen.
»Genosse Fang ist über 65«, sagte sie. »Ein guter Mann, ein guter Vorgesetzter und ein tüchtiger Minister, aber er arbeitet viel und ist kein junger Mann mehr.«
Okay, mit anderen Worten: Er vögelt dich, aber nicht so oft , interpretierte Nomuri ihre Auskunft. Und womöglich steht dir der Sinn nach mehr, gegebenenfalls mit jemandem, der dir auch altersmäßig näher ist. Nun, wenn Fang schon über 65 war, aber immer noch konnte, hatte er Respekt verdient, fügte Nomuri im Geiste hinzu, legte den Gedanken dann aber endgültig beiseite.
»Haben Sie hier schon einmal gegessen?« Das Restaurant nannte sich Vincenzo’s und gab sich italienisch. Tatsächlich war der Betreiber, in Vancouver geboren, zur Hälfte Italiener, zur anderen Hälfte Chinese. Er sprach ein Italienisch, das ihn, wäre er in Palermo oder auch auf der Mulberry Street in New York damit herausgerückt, auf die Abschussliste der Mafia gebracht hätte. Hier in Peking aber machte er einen ziemlich authentischen Eindruck.
»Nein«, antwortete Ming und sah sich in der für sie exotischen Umgebung um. Auf jedem Tisch stand eine alte, mit einem Strohgeflecht umkleidete Weinflasche, auf der eine rote Tropfwachskerze steckte. Das Tischtuch war weiß-rot kariert. Der Dekorateur dieses Lokals hatte anscheinend allzu viele alte Filme gesehen. Und so kam es, dass man hier gar nicht glauben mochte, in Peking zu sein, trotz der chinesischen Bedienung. Dunkle Holzvertäfelung an den Wänden, nahe dem Eingang eingeschraubte Haken für die Garderobe. Das Lokal hätte auch irgendwo an der amerikanischen Ostküste sein können, wo man es für eins dieser alten italienischen Familienbetriebe gehalten hätte, in denen es leckere Pasta für kleines Geld gab. »Wie schmeckt italienisches Essen?«
»Wenn es gut zubereitet ist, gibt’s auf der ganzen Welt kaum etwas Besseres«, antwortete Nomuri. »Sie haben’s noch nie probiert? Soll ich etwas für Sie aussuchen?«
Ihre Reaktion war mädchenhaft charmant. Frauen waren doch überall gleich. Dem, der sie richtig anzusprechen wusste, gaben sie nach wie Wachs, das er mit seinen Händen nach Gutdünken kneten und formen konnte. Nomuri war schon gespannt auf die weitere Entwicklung. Was er hier lernte, würde irgendwann auch für sein privates Privatleben nützlich sein, da war er sich sicher. Er winkte den Kellner zu sich, der mit servilem Lächeln herbeieilte. Als Erstes bestellte Nomuri einen italienischen Weißwein – erstaunlich, die Karte listete vorzügliche Weine auf, entsprechend teuer auch. Dann, nachdem er tief durchgeatmet hatte:
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