Im Zeichen des großen Bären
Verehrte, war 1916 gestorben und durch seinen Nachfolger Karl I. nicht zu ersetzen gewesen. Oktoberrevolution in Rußland und Installierung der Sowjetherrschaft. Wilhelm II. ging ins holländische Exil, und die Leute sangen: »O Tannebaum, o Tannebaum, der Kaiser hat in 'n Sack gehaun.« Die Republik war ausgerufen worden in Deutschland.
In einem Dorf zwischen Maubeuge und Mons war in weitem Karree das 159. Infanterieregiment von Ontario angetreten. Oberst Perkins verlas, nicht ohne Pausen, die er zum Hinunterschlucken der Rührung brauchte, die Proklamation, die Frieden bedeutete nach vier mörderischen Jahren.
Die Fahnen senkten sich zum Gedenken an die Toten. Trommelwirbel hallte dumpf, und die ramponierten Mauern der kleinen Häuser schienen noch einmal zu erzittern. Doch in einer Pfütze badeten tschilpend zwei Spatzen, als hätten sie eine heitere Botschaft zu überbringen.
»Ich bin stolz auf euch«, sagte Oberst ›Luckie‹ Perkins. »Das 159. Regiment hat vom Angriff bei Béthune und der Lorettohöhe bis zur Entscheidung bei Cambrai und Arras stündlich seine Pflicht erfüllt. Es verlor in der Zeit das Dreifache seiner Kriegsstärke an Toten und das Achtfache an Verwundeten. Es hatte knappe sechs Wochen zur Auffrischung in der Etappe. Seine Majestät der König spendete ihm offiziell Lob für Einsatz und Treue. Ich weiß, daß Zahlen und Belobigungen wenig sagen über das Maß an Tapferkeit, das jeder einzelne von euch aufbringen mußte. Wir scheiden in dem stolzen Bewußtsein, unser Bestes für die Sache des Weltfriedens, des Menschheitsfriedens gegeben zu haben.«
Er sah in die Gesichter seiner Männer. Jünglinge waren angekommen. Jetzt waren ihre Züge hart und kantig, geprägt noch vom Grauen der Schlachten, doch in den Augen blitzte bereits Hoffnung. Menschen vergaßen. Sie kamen drüber weg. Nicht ganz, etwas blieb in den Knochen und in der Seele zurück. Doch es war wunderbar, noch einmal davongekommen zu sein!
Perkins grinste ein bißchen und fuhr fort: »Ich weiß, daß mein Spitzname ›Luckie‹ ist. Oberste sind nicht so ahnungslos, wie sie manchmal tun. Luck – Glück. Sicher konnte ich diesem Namen nicht gerecht werden – wer könnte das, im Kriege? Aber so viel will ich sagen: Mir ist, als ob bald, wenn wir zurück sein werden in unserer fernen Heimat, meine Familie auseinanderginge. Diese Jahre haben uns zusammengeschweißt. Wir sollten uns nicht aus den Augen verlieren. Und nun denke ich auch an unser treues Maskottchen, das ja inzwischen ein ausgewachsener Bär ist. Ich weiß, daß mehrere Männer ihn gern zu sich genommen hätten. Besonders Soldat Shenessy, der ihm, wie ich erfuhr, zum Dank für die Lebensrettung, seit er aus dem Lazarett zurück ist, täglich Pudding kocht …« Hier ging ein Gekicher und Gelächter durch die Reihen wie einst in der Schule, wenn der Lehrer sich gestattet hatte, einen Witz zu machen. »… und Unteroffizier Rockwell bietet ihm einen Platz auf seiner Farm an. Vielleicht als eine Art Wachhund für seine Bibertruppe?« Wieder wurde gekichert. »… sicher würde auch mein lieber Adjutant Clark sich gern mit diesem Prachtbären schmücken …« Dies war nun die reine Bosheit, denn Clark hatte nach wie vor nichts für bissige und tatzenschwingende Bären übrig und verstand das ganze Getue um das Tier nicht.
Oberst Perkins rückte an seinem Koppel und sagte: »So verlockend es auch klingen mag, bei Paraden einen Bären mitzuführen – und andere Regimenter würden garantiert vor Neid erblassen –, so ist das doch unmöglich. Kitchener ist ein Raubtier. Es würde dem Reglement und allen Regiments- und Garnisonsvorschriften zuwiderlaufen, ihn mitzunehmen oder gar zu behalten. Über sein Schicksal muß beraten werden. Ich persönlich schließe mich dem dringenden Vorschlag unseres Kameraden Webbs an, der nun, schwerverletzt, leider nicht mehr direkt seinen wertvollen Rat als Fachmann beisteuern kann. Ich plädiere dafür, Kitchener in einen erstklassigen Zoo zu geben. Da bietet sich London an. Wie gesagt, das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Doch eins will ich heute schon verraten: Ich habe bereits eine Eingabe gemacht. Das 159. Infanterieregiment wird, wenn alles klar geht, in sein Regimentswappen einen Bären aufnehmen. Unser Kitchener, er lebe …«
In Wirklichkeit hatte bereits eine Beratung mit Oberleutnant Powell und Unteroffizier William Rockwell stattgefunden. Nach vielem Hin und Her, Rücksprachen mit dem Stab und Powells scherzhafter
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