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Im Zeichen des himmlischen Baeren

Titel: Im Zeichen des himmlischen Baeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Ein vielstimmiges Kreischen mischte sich in das Rauschen der Wellen. Ich sah Nagasume Tomi aufrecht in seinem Boot stehen; die Strömung hob und senkte es und warf es der Galeere entgegen. In dem Augenblick, als der Schatten des »Seefalken« auf ihn zuschoss, hob er den Arm mit kraftvoller Gebärde. Der lange Speer mit der blinkenden Spitze nahm seinen Flug. Er sirrte an der Galionsfigur vorbei auf den König zu. Ich sah Iri das Sternenschwert durch die Luft schwingen: Die funkensprühenden Klingen fingen den Speer auf und schleuderten ihn klirrend zur Seite. Er traf mit voller Wucht Itzuses Knie. Im gleichen Augenblick, als der junge Mann aufschrie, hörte ich das krachende Splittern. Der mächtige Schiffsbug war gegen das Kanu geprallt und hatte es mitsamt seiner Besatzung hochgeschleudert. Das Boot barst auseinander; die schäumenden Wellen rissen Holzstücke, zerbrochene Ruder und verstümmelte Körper in die Tiefe.
    Itzuse krümmte sich vor Schmerz. Der Speer, der ihm die Kniescheibe gespalten hatte, war durch das Bein tief in die Holzplanken gedrungen und hatte ihn am Boden festgenagelt. Iri starrte abwechselnd auf seinen Bruder und auf das Schwert: Er hielt es wie eine giftige Natter von sich und plötzlich schleuderte er es in weitem Bogen über das Deck. Es fiel in eine Blutlache, die aufspritzte und die Waffe rot färbte. Ich sprang hinzu, hob das Schwert auf und trocknete die klebrigen Klingen ab. Dann wickelte ich es hastig in meine Schärpe und überreichte es Kuchiko, der sich verneigend die Waffe in Empfang nahm.
    Â»Onoshi! Er soll kommen! Sofort!«, keuchte Iri.
    Ein Offizier hastete übers Deck. Ein Pfeil traf ihn in die Brust und er sank zu Boden. Ein anderer sprang an seiner Stelle die Stufen hinunter. Ich kniete neben Itzuse, während die Leibgarde mit erhobenem Schild einen schützenden Wall um uns bildete. Der junge Mann war bei vollem Bewusstsein. Sein Gesicht war schweißüberströmt, und er biss die Zähne aufeinander, um die Kontrolle über sich zu behalten. Die Trommeln schlugen dumpf den Rhythmus; alle Ruderer, auch die Ersatzleute, waren eingesetzt worden. Mit flatternden Segeln bahnten sich die Galeeren einen Weg durch das Gewimmel der Boote. Die Ainu umdrängten sie von allen Seiten, jagten ihre Kanus mit Todesverachtung an die Schiffsflanken heran. Sie ließen ihre mit Widerhaken versehenen Seile kreisen und kletterten in Scharen an Bord. Die Tungusen drängten sie zurück: Reihenweise stürzten die tödlich verletzten Ainu ins Wasser und ertranken. Doch so viele Männer der Tod auch dahinraffte, ebenso viele zogen sich an den Schiffsflanken wieder hoch und warfen sich in den Kampf. Flammende Pfeile steckten die Segel in Brand. Dichter Qualm stieg auf. Heiß und hell prasselte das Feuer. Ständig einem Speer- und Pfeilregen ausgesetzt, arbeitete die Mannschaft fieberhaft, um Wasser an Bord zu schaffen und die Brände zu löschen.
    Ich hielt Itzuses Kopf auf meinem Schoß. Sein Gesicht war weiß wie Wachs, seine Augen feucht und er atmete stoßweise.
    Â»Wo bleibt Onoshi?« Iris Stimme überschlug sich.
    Atemlos und erschöpft kam der Arzt an Deck. Er warf einen Blick auf den Speer und rief zwei Offiziere zu sich. Dann verneigte er sich vor Itzuse und sprach: »Verzeiht, Hoheit, aber ich werde Euch Schmerzen bereiten müssen.«
    Â»Wartet!«, zischte Itzuse.
    Er knotete mit zitternden Händen seine Schärpe auf und steckte sie sich als Knebel in den Mund. Dann gab er dem Arzt ein Zeichen, dass er bereit sei. Doch Onoshi schüttelte den Kopf. Er ließ sich ein Seil bringen, fasste Itzuse mit erstaunlicher Kraft an den Armen, kreuzte sie hinter seinem Rücken und band die Handgelenke fest zusammen. Dann hieß er zwei Wachoffiziere Itzuses Beine flach auf den Boden drücken. Iris Gesicht wurde dunkelrot vor Zorn über die Schmach, die sein Bruder erdulden musste, doch er presste die Lippen zusammen und schwieg. Erst als Onoshi sicher war, dass der Verwundete sich nicht mehr rühren konnte, ließ er die Offiziere herankommen. Sie umfassten den Schaft des Speeres und zogen ihn mit einem Ruck aus der Planke. Unwillkürlich lockerte sich der Griff der beiden Männer, die die Beine hielten. Itzuses Körper bäumte sich in wildem Schmerz auf. Seine Zähne gruben sich in den Knebel. Onoshi ergriff nun selbst den Schaft. Als er den Speer behutsam aus der Wunde

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