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Im Zeichen des himmlischen Baeren

Titel: Im Zeichen des himmlischen Baeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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entfernte, klaffte die Kniescheibe auseinander. Ein Zittern schüttelte den Verwundeten. Dann erschlaffte sein Körper und sein Kopf fiel schwer auf meinen Schoß zurück: Er hatte das Bewusstsein verloren. Ich beugte mich über ihn und nahm ihm den Knebel aus dem Mund, während der Arzt sich anschickte, die Wunde zu behandeln.
    Iri erhob sich; er schien wie benommen. Nichts verriet in seinem Gesicht den Aufruhr, der in seinem Innern tobte. Doch seine Augen sagten alles.
    Mir war nicht bewusst, in welchem Augenblick der Kampf seine entscheidende Wendung genommen hatte. Waren die Ainu durch Nagasume Tomis Tod entmutigt worden? Zwangen sie ihre Verluste dazu, den Kampf aufzugeben? Oder hatten sie eingesehen, dass ihr Sterben sinnlos war, dass weder Heldenmut noch Todesverachtung den Vorstoß des Geschwaders aufhalten konnte? Von irgendwoher wurden Hörner geblasen. Der Ton zerriss die Luft und das Echo hallte von den Ufern wider. Es war das Zeichen zum Rückzug. Die Ainu, die noch auf den Schiffen kämpften, kletterten über Bord, schleppten ihre Verwundeten mit sich und sprangen in die Wellen. Viele wurden von den Pfeilen, die ihnen die Tungusen nachschickten, getroffen und ertranken; andere entkamen, weil sie unter Wasser schwammen. Zahlreiche Boote kenterten, bevor sie das schützende Schilf erreichen konnten.
    Den Männern war es inzwischen gelungen, die Brände zu löschen. Ein auffrischender Wind vertrieb den Rauch, die Sonne war blass, hob sich aber klar vom Himmel ab. Die Schwerverwundeten wurden von ihrer Qual erlöst, die Toten über Bord geworfen und die Schiffe gesäubert. Die erschöpften Krieger hatten ihre Helme abgenommen und die Harnische aufgeschnürt. Sie hockten oder saßen mit untergeschlagenen Beinen im Halbkreis. Diener sorgten für Wasser und Verpflegung.
    Ich ließ Maki kommen und gab ihr meine Waffen. Dann reichte mir Kuchiko das Schwert mit den sieben Klingen, und ich trug es die Stufen hinunter, die zum Unterdeck führten. Die Männer verneigten sich vor mir und ich las Ehrfurcht in ihren Augen.
    Im Halbdunkel knieten Etsu und Hana vor dem hölzernen Schrein der Göttin. Opferstäbchen brannten; der Weihrauchduft verdrängte den Übelkeit erregenden Geruch nach Tod. Die Priesterinnen verneigten sich vor mir und ich erwiderte ihre Verbeugung. Behutsam wickelte ich das Schwert aus der Schärpe. Etsu reichte mir ein weißes Leinentuch und ich säuberte sorgfältig jede Klinge. Dann hüllte ich es wieder in die makellose Seide, legte es in die Truhe zurück und schob die goldenen Schlösser zu. Dann sprach ich: »Ich will der Göttin ein Opfer bringen, denn heute wurde das heilige Schwert entweiht.«
    Ich löste die Bänder aus meinem Haar. In schweren blauschwarzen Wellen fluteten die Haare über meine Ärmel und bildeten vor meinen Knien eine schimmernde Fläche. Ich zog den Dolch heraus, den ich stets bei mir trug, schnitt mein Haar Strähne für Strähne in Schulterhöhe ab und legte es vor dem Schrein nieder. Das schabende Geräusch jagte mir Schauer über den Rücken. Ein trockenes Schluchzen stieg mir in die Kehle. Das Haar ist Sinnbild des Lebens, der Seele, der Kraft, und ich bot es der Gottheit dar. Aber noch während ich die Handlung vollzog, die mich um einen Teil meiner Lebenskraft brachte, wusste ich, dass mein Sühneopfer vergebens war und die Göttin mir ihre Gnade verwehrte. Der gleichtönende Rhythmus der Trommel, das knarrende Auf und Ab der Riemen erfüllten den Raum. Die Schiffe erhöhten ihre Fahrtgeschwindigkeit und der Boden schwankte. Die glatten Wellen, durch die sich die Galeeren einen Weg bahnten, trugen gekenterte Boote, Fässer, angesengte Bretter, Segelfetzen, aufgedunsene Pferdeleiber und Leichen dem offenen, blau glitzernden Meer entgegen.

4
    B ei Einbruch der Nacht steuerten wir in einen stillen Flussarm und gingen an Land. Hier wuchs kein Schilf mehr. Die Hügel waren grün von Farnkraut und das Laub der Bäume spiegelte sich im dunklen Wasser. Taue wurden an Land gerudert und von den Seeleuten an Stämmen befestigt. Die Taue knarrten, als die Galeeren ans Ufer gezogen wurden. Man legte die Laufplanken aus und ließ zuerst die Pferde von Bord, damit sie weiden konnten. Diener luden das Gepäck aus und begannen, die Zelte aufzustellen. Obwohl die Kundschafter meldeten, die Gegend sei unbewohnt und anscheinend sicher, ließ Yi-Am

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