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Im Zeichen des himmlischen Baeren

Titel: Im Zeichen des himmlischen Baeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Vorderfüßen des Hengstes vorbei. Das Schnaufen des Pferdes, das Knacken von zerstampftem Schilf erfüllten die Lichtung.
    Wieder ging das Mädchen zum Angriff über. Der kreisende Stein traf mit dumpfem Aufschlag die Brust des Pferdes. Kuro-Uma wieherte vor Schmerz. Er bäumte sich hoch auf. Die Hufe schlugen ins Leere. Kubichi federte zurück und brachte sich mit einem behänden Satz in Sicherheit.
    Susanoo riss an den Zügeln. Das Pferd fiel auf die Vorderhufe zurück, dass die Erde bebte, und stürmte in hämmerndem Galopp auf das Mädchen zu. Das Seil kreiste; der Stein flog durch die Luft. Diesmal glückte der Wurf: Zischend wickelte sich das Seil um die Gelenke des Pferdes. Im vollen Lauf gebremst, stürzte der Hengst mit solcher Wucht zu Boden, dass er sich überschlug.
    Noch während das Tier stürzte, ließ sich Susanoo zur Seite fallen. Mit der Schulter prallte er auf den Boden, rollte blitzschnell auf einen entwurzelten Baum zu. Er hörte einen dumpfen Aufschlag und sah knapp über sich einen Dolch in der Rinde stecken. Das Pferd wälzte sich mit gefesselten Beinen verzweifelt hin und her.
    Susanoo war aufgesprungen. Seine Hand flog an den Köcher; schon lag der Pfeil an der Bogensehne und richtete sich auf das Mädchen. Sie hielt mitten im Lauf an, starrte abwechselnd auf den Pfeil und auf ihren Dolch, der im Baumstamm steckte. Ihre bläulichen Augenlider zuckten; ihr Atem flog. Schweißtropfen glitzerten auf der hellgoldenen Haut. Plötzlich sah Susanoo, wie ihre Pupillen sich verengten. Sie bückte sich mit katzenhafter Geschmeidigkeit und schleuderte ihm eine Handvoll Sand ins Gesicht. Er blinzelte, senkte überrascht den Bogen, während sie an ihm vorbeirannte und wie ein Schatten ins Dickicht tauchte.
    Er streifte den Bogen über die Schulter, zwängte sich hinter ihr durch das Unterholz. In drei Sprüngen hatte er sie eingeholt. Sie schlug einen Haken wie ein Hase, doch er packte sie am Arm und hielt sie fest. Sie griff sofort an, versuchte, ihm ihre Daumen in die Augen zu rammen. Er musste seine ganze Kraft aufbieten, um sie von sich zu halten. Ihre Nägel hinterließen lange, blutige Striemen auf seinem Gesicht. Er vergaß, wie zart und schmal sie eigentlich war; sie hatte Kräfte wie ein Mann und kannte viele Kniffe. Ihre Knie und Ellbogen waren steinhart, und einmal schlug sie ihm mit der flachen Hand derart an die Kehle, dass ihm die Luft wegblieb. Doch während sie kämpften und sich keuchend im Schilf wälzten, spürte er, dass ihre Kräfte langsam nachließen; sie erlahmten mit jedem Atemzug. Es gelang ihm, sie auf den Rücken zu werfen und an den Handgelenken festzuhalten. Zum ersten Mal begegnete er ihrem Blick. Ihre grauen Augen waren feucht wie die eines gefangenen Tieres, und er fühlte, wie sie am ganzen Körper zitterte. Hinter dem Staub, der ihr Gesicht bedeckte, sah er den zarten Flaum ihrer Brauen. Ihr Haar roch nach Wasser und warmer Erde. Er senkte den Blick in ihre Augen und sah das ängstliche Flackern. Sie bewegte sich nicht, als er ihre Gelenke freigab. Er griff in das Haar, füllte beide Hände mit den weichen Locken. Sein Gesicht näherte sich ihr. Sie starrte ihn an, regungslos und mit angehaltenem Atem. Während er sie küsste, fühlte er, wie sie ihn mit beiden Armen umfasste. Und dann spürte er zwischen den Schulterblättern eine harte, messerscharfe Spitze und wusste mit einem Mal, wie der Wachtposten gestorben war …
    Er rührte sich nicht; löste nur sanft die Lippen von den ihren und sagte halblaut: »Stich zu! Es ist ein guter Augenblick, um zu sterben …«
    Er sah ihr Gesicht, ihre Lider, die wie Schmetterlingsflügel bebten. Ihr Herz hämmerte gegen seine Brust. Plötzlich stieß sie keuchend den Atem aus: Es klang wie ein unterdrücktes Schluchzen. Ihre Hand öffnete sich. Die Knochensichel fiel zu Boden, während sie die Arme hob, ihr ganzes Gewicht an seinen Hals hängte und ihn zu sich herunterzog.

12
    D ie Nacht kam schnell. Der Himmel glühte wie Holzkohle und die dunklen Schatten der Fledermäuse huschten über das Schilf. Susanoo hatte das Pferd befreit und sich vergewissert, dass das verschreckte Tier nicht verletzt war.
    Kubichi kauerte stumm im hohen Gras. Mit zitternden Händen zog sie ihr Mieder über die Schultern. In der Dämmerung hatte ihre Haut die Farbe gleißenden Kupfers. »Was

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