Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
dürfen?«
»Yesss«, sagte Hanne und beteiligte sich am Abräumen. »Was gibt’s denn?«
»Eis mit spanischen Erdbeeren.«
»Ja, bitte«, sagte Severin. »Was wolltest du sagen, Håkon?«
»Hanne hat ja gemeint, daß ihr die ursprüngliche Theorie des Überwachungschefs zu weit geht«, sagte Håkon, der mit drei Tellern in jeder Hand mitten im Zimmer stand. »Und da sind wir uns ja auch einig. Es klingt zu sehr nach Räuberpistole, daß eine riesige Firma in einem demokratischen Land die Ministerpräsidentin eines freundlich gesinnten und nahen Alliierten in den Tod schicken sollte!«
»Da sagst du natürlich was Wahres«, sagte Hanne, nachdem sie Eis und Erdbeeren geholt und Dessertteller auf dem Tisch verteilt hatte. »Aber du solltest deiner Phantasie niemals Grenzen setzen. Ich muß schon sagen, auch ich hatte meine Probleme, als die Mannesmann-Sache damals ihren Höhepunkt erreichte.«
Sie kam Tone-Marits Frage zuvor.
»Statoil kauft Dienste und Waren in Milliardenhöhe. Die Verträge sind Gold wert, und die Konzernleitung braucht sehr viel Zeit und Kraft, um Korruption im eigenen Laden zu verhindern. Aber trotzdem hat sich dort jemand von einem riesigen deutschen Konzern kaufen lassen. Die Statoil-Angestellten erhielten Bestechungsgelder, Mannesmann bekam den Zuschlag und konnte Röhren für die Bohrinseln liefern. Ich hätte das nicht für möglich gehalten. Nicht in Norwegen. Und eigentlich auch nicht in Deutschland. Die Moral ist: Es gibt keine Moral – außer Geld zu scheffeln. Und wenn wir an die Kontergan-Geschichte denken …«
Sie hätte sich die Zunge abbeißen können. Ihr war beim Reden plötzlich etwas eingefallen, das Billy T. ihr vor vielen Jahren erzählt hatte. Severin Hegers Schwester hatte weder Beine noch Arme. Und nur ein Ohr.
»Ist schon gut«, sagte Severin und trank noch einen Schluck. »Das ist völlig in Ordnung, Hanne.«
Sie rührte beschämt in ihrem inzwischen schmelzenden Eis.
»Hörst du nicht, Hanne? Ist schon gut, habe ich gesagt.«
»Na gut. Kontergan, das in Norwegen unter dem Namen Neurodyn verkauft wurde, ist ein Mittel gegen Übelkeit in der Schwangerschaft. Unter anderem. Ich glaube, es sollte auch eine gewisse beruhigende Wirkung haben. Es wurde in den fünfziger Jahren in der Bundesrepublik hergestellt, und erst nachdem über zehntausend Kinder mit schweren Behinderungen geboren waren, konnte ein deutscher Genforscher nachweisen, daß es einen Zusammenhang zwischen diesen Behinderungen und den Medikamenten gab, die die Mütter genommen hatten.«
»Woher in aller Welt weißt du das alles?« murmelte Tone-Marit.
»Ich weiß alles«, flüsterte Hanne und starrte ihr in die Augen. »Absolut alles.«
Øyvind lachte laut, aber Hanne ließ sich nicht beirren.
»Für die Hersteller war das natürlich eine Katastrophe: gewaltige Schadenersatzforderungen, später der Konkurs. Obwohl die Firma auch eine Reihe von absolut hervorragenden Medikamenten produzierte. Niemand wollte sie danach auch nur mit der Zange anfassen. Die Leute von der Pharmamed haben im Moment bestimmt ganz schön die Hosen voll. Obwohl es so lange her ist und obwohl die Besitzer gewechselt haben. Man wird den Firmennamen ›Pharmamed‹ für sehr lange Zeit mit diesen schrecklichen Todesfällen in Verbindung bringen.«
Eine Zeitlang war nur das Kratzen der Löffel auf den teuren Glastellern zu hören.
»Aber«, sagte Severin plötzlich, »obwohl ich im Prinzip …«
Er nuschelte ein wenig, »Prinzip« war kein leichtes Wort.
»Obwohl ich eigentlich deiner Meinung bin, daß man nichts ausschließen darf und daß Geld fast immer eine Antriebskraft ist …«
Billy T. kam ins Zimmer gestürzt.
»Hab ich was verpaßt?«
»Schläft er?« fragte Håkon.
»Wie ein gefällter Baum. Ich hab ihm zwei Horrorgeschichten erzählt. Er ist vor Angst erstarrt, und jetzt schläft er süß. Worüber redet ihr gerade?«
»Ich muß leider mitteilen, daß wir die Pharmamed-Spur an den Nagel hängen können«, sagte Severin. »Jedenfalls war es nicht weiter suspekt, daß Himmelheimer neulich in Oslo war. Er war mit ganz anderen Dingen beschäftigt, um es mal so zu sagen …«
»Du, Severin«, sagte Billy T. ruhig und bedachte ihn mit einem mahnenden Blick. »Hier sind nicht nur Leute von der Truppe, weißt du …«
»Der da«, sagte Severin und zeigte auf Øyvind Olve. »Der kennt doch sicher die ganz großen Geheimnisse. Er hat doch für die Ministerpräsidentin gearbeitet. Aber jetzt hört
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