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Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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er die Tür und rief Håkon Sand an.
    23.45, Motzfeldts gate 15
    Liten Lettvik war unglücklich. Das war ein neues und ungewohntes Gefühl, wie eine Unruhe im Leib, wie eine unerklärliche Angst. Etwas hatte sich oben in ihrem Rücken verbissen, irgendwo hinter den Schulterblättern, es jagte Pfeile durch ihren Körper und erfüllte sie mit einem Schmerz, gegen den gar nichts half. Sie hatte fast alles versucht, aber es gab schließlich Grenzen dafür, was sie einwerfen konnte, ohne einen Arzt aufzusuchen. Alkohol war keine Hilfe, sie wurde nicht einmal betrunken.
    Die Demütigung. Das war es. Der durch die Demütigung erzeugte Schmerz. Sie hatten sie angesehen, hatten durch sie hindurchgesehen und Stück für Stück erzählt, was sie wußten. Wie genau war sie wohl überwacht worden? Manches von dem, was sie sagten, deutete darauf hin, daß sie genau wußten, was sie getan und wie sie es getan hatte. Allein dieser Gedanke ließ sie erröten und ihren Schmerz noch wachsen. Das Allerschlimmste war jedoch, daß sie es schon seit vielen Jahren wußten.
    Sie war naiv gewesen. Grenzenlos naiv. Liten Lettvik, die überaus fähige Journalistin, preisgekrönt und respektiert, bekannt für ihr Gespür für die Schwächen der Mächtigen. Aber sie hatte nicht begriffen, daß die anderen alles wußten.
    Vielleicht hatte sie die Augen davor verschlossen, weil es im Grunde so lange her war. Ein paar Male im Laufe der letzten Jahre, und dann im März …
    Der Schmerz war jetzt unerträglich, und die Tränen traten ihr in die Augen. Liten Lettvik beugte sich vor und griff nach einem kleinen Brief, der an diesem Tag gekommen war, einem Brief in zierlicher, geschwungener Handschrift; die Briefmarke saß ordentlich in der rechten oberen Ecke und hatte noch alle Zacken. Sie hatte sich zuerst nicht an den Namen erinnern können, Elsa Haugen. Erst als sie den Brief zweimal überflogen hatte, war es ihr wieder eingefallen. Die Mutter der kleinen Marie. Die Frau aus Elverum. Oder Eidsvoll? Der Brief berichtete von Trauer und Schmerz und von wieder aufgerissenen Wunden. Von schlaflosen Nächten und taktlosem Verhalten.
    Liten Lettvik seufzte tief und riß den Brief in Fetzen.
    Ihr eigener Schmerz reichte ihr wirklich aus.

Freitag, 25. April 1997
    21.35, Holmenveien 12
    Øyvind Olve saß an dem großen Eßtisch aus Kiefernholz und wiegte ein kleines Kind. Das Kind machte unbegreifliche Handbewegungen. Øyvind starrte die winzigen Finger fasziniert an. Karen Borg beugte sich über ihn und nahm ihm das Bündel weg, er merkte, daß er es eigentlich gar nicht hergeben wollte.
    »Eine süße Kleine«, sagte er und lächelte verlegen. »Wie soll sie heißen?«
    »Das wissen wir noch nicht«, antwortete Karen.
    Sie drückte das Kind an ihre Schulter und sah müde und mitgenommen aus. Hanne Wilhelmsen versetzte dieser Anblick einen Stich; sie hatte einfach nicht daran gedacht, daß es für Karen vielleicht nicht gerade angenehm war, das Haus voller Leute zu haben – an dem Tag, an dem sie mit einem Baby und einer frischen Operationsnarbe aus dem Krankenhaus kam.
    »Ich gehe ins Bett. Da oben höre ich gar nichts, also macht es euch nur gemütlich. Versucht nur, ein bißchen leise zu sein, wenn ihr geht, ja?«
    Håkon Sand sprang auf.
    »Ich helfe dir.«
    »Nein, nein, setz dich nur. Amüsier dich hier unten. Aber vergiß nicht, daß du dich morgen früh um Hans Wilhelm kümmern mußt.«
    »Ich kann das machen«, brüllte Billy T. »Überlaß den Knaben nur mir, Karen!«
    Karen sagte nichts dazu, sie hob das Baby zu einem Gutenachtgruß hoch und verschwand im ersten Stock des großen, gemütlichen Holzhauses. Billy T. schnappte sich die sechste Rotweinflasche und öffnete sie mit weltmännischer Miene.
    »Ich hoffe, du hast noch mehr davon, Håkon«, grinste er und schenkte reihum ein.
    »Nein, danke, ich hab genug«, sagte Øyvind Olve und legte die Hand auf sein Glas.
    »Was hast du denn hier für ein Weichei angeschleppt, Hanne? Der trinkt ja gar nichts!«
    Øyvind Olve fühlte sich noch immer ausgeschlossen. Er konnte nicht so recht verstehen, warum Hanne ihn unbedingt dabeihaben wollte. Billy T. war ihm zwar schon zweimal begegnet, bei Hanne und Cecilie nämlich, aber der riesige, laute Mann schien ihn vergessen zu haben. Und die anderen Gäste kannte er gar nicht.
    »Ich muß morgen früh Auto fahren«, murmelte er und ließ sein Glas nicht los.
    »Fahren! Er muß Auto fahren! Was ist das denn bloß?«
    »Jetzt reiß dich zusammen,

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