Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
bedeckte.
»Nämlich eine Sicherheitsschleuse, die rund um die Uhr bewacht wird. Es gibt zwar auch einen Notausgang…«
Der Finger setzte sich in Bewegung.
»Aber es gibt keinerlei Anzeichen dafür, daß er benutzt worden wäre. Die Türen sind versiegelt, und das Siegel wurde nicht gebrochen. Das gesamte Hochhaus wird seit einiger Zeit renoviert. Aus diesem Anlaß ist es von außen eingerüstet worden. Wir haben natürlich überprüft, ob jemand auf diese Weise eingestiegen sein könnte, aber auch dafür gibt es keinerlei Anzeichen. Die Fenster sind unversehrt, die Fensterbänke unberührt. Natürlich untersuchen wir auch alle Entlüftungswege, aber bisher scheint das eine falsche Fährte zu sein.«
Der Überwachungschef hatte die Arme vor der Brust verschränkt und musterte einen Gegenstand, der vor ihm auf dem Pult lag.
»Auch die Waffe ist noch nicht gefunden worden. Es scheint sich um eine relativ kleinkalibrige Waffe gehandelt zu haben, vermutlich um einen Revolver. Wir werden mehr erfahren, wenn der vorläufige Obduktionsbericht vorliegt. Der Zeitpunkt des Todes kann offenbar auf den Zeitraum zwischen achtzehn und achtzehn Uhr fünfundvierzig angesetzt werden. Und das bedeutet …«
Er betrachtete die Anwesenden mit zusammengekniffenen Augen.
»Es sollte eigentlich überflüssig sein, das ausdrücklich zu sagen. Ich sage es trotzdem: Wenn irgend etwas an die Presse oder andere durchsickert, dann wird das schwerwiegende Folgen haben. In diesem Fall akzeptiere ich nicht die kleinste undichte Stelle, das möchte ich klarstellen. Verstanden?«
Gemurmelte Zustimmung verbreitete sich im Saal.
»Der Überwachungschef wird die Lage jetzt kurz zusammenfassen.«
Der Mann im beigen Anzug stand auf und umrundete den Tisch, hinter dem er gesessen hatte. Mit elegantem Schwung setzte er sich auf die Tischplatte und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Wir lassen alle Möglichkeiten offen, wie eben schon gesagt. Wir wissen, daß rechtsextreme Gruppen in letzter Zeit eine gewisse Aktivität entfaltet haben, und wir wissen auch, daß einzelne Gruppierungen mit sogenannten Todeslisten arbeiten. Das ist an sich ja nichts Neues. Solche Listen gibt es schon lange, und Ministerpräsidentin Volter stand schon lange, bevor sie dieses Amt angetreten hatte, auf der Liste.«
Er stand wieder auf und lief vor dem Tisch hin und her, während er weiterredete. Er hatte eine tiefe, angenehme Stimme, er sprach flüssig und ohne Unterbrechungen.
»Wir können auch nicht ausschließen, daß der Mord mit den neuesten Entwicklungen im Mittleren Osten in Verbindung steht. Das Oslo-Abkommen kann möglicherweise ganz und gar im Sande verlaufen, und alle wissen, daß Norwegen hinter den Kulissen alles unternimmt, um den Friedensprozeß doch noch zu retten.«
»Und da können die Jungs vom Überwachungsdienst wieder mit ihren alten Mossad-Kumpels zusammenarbeiten«, murmelte Billy T. fast unhörbar.
Tone-Marit achtete nicht auf ihn, sondern reckte den Hals, um den Mann vorne im Saal besser hören zu können.
»Außerdem haben wir noch andere mögliche Theorien, die wir genauer unter die Lupe nehmen müssen. Aber darauf brauchen wir hier nicht einzugehen.«
Der Überwachungschef verstummte und nickte dem Polizeipräsidenten kurz zu, um die Besprechung für beendet zu erklären. Der Präsident zupfte an seinem verschmutzten Kragen und sah aus, als sehnte er sich nach Hause.
»Glaubst du noch immer an das Gerede von einem verrückten Einzelgänger?« fragte Tone-Marit, als sie kurz darauf den Konferenzsaal verließen. »Das müßte dann aber ein Genie sein.«
Billy T. gab keine Antwort, er starrte sie einige Sekunden lang an, dann schüttelte er ganz sachte den Kopf.
»Jetzt muß ich wirklich ins Bett«, murmelte er.
9.07, Hauptwache Oslo
Es war unmöglich, das Alter der Frau zu schätzen, die in ihrem schwarzen Kostüm und ihrem roten Halstuch dasaß und an einem Glas Mineralwasser nippte. Tone-Marit Steen war beeindruckt; die Frau sah ausgeruht und gepflegt aus, obwohl sie noch um vier Uhr morgens beim Verhör gesessen hatte. Ihre Augen waren zwar ein wenig gerötet, aber sie war perfekt geschminkt, und ihre leichten Bewegungen ließen einen angenehmen leichten Parfümduft durch das Zimmer schweben. Tone-Marit preßte die Arme an den Körper und hoffte, keinen zu unangenehmen Geruch zu verbreiten.
»Es tut mir leid, Sie schon wieder stören zu müssen«, sagte sie mit einer Stimme, die wirklich ehrlich klang. »Aber Sie
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