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Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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Polizei mehr anwesend – zumindest war keine zu sehen –, doch sie wußten, daß hinter der Wand, von der sie alle verzweifelt ihre Blicke abwandten, Birgitte Volter vor kurzem erschossen worden war.
    Die Regierungsmitglieder waren ungewöhnlich schweigsam, nur die schnarrende, singende Stimme der Wirtschaftsministerin war zu hören.
    »Es ist so entsetzlich. Mir fehlen die Worte.«
    Als letzter traf der Außenminister ein. Die anderen hatten schon Platz genommen. Er war ungewöhnlich blaß, und die Kulturministerin hätte schwören können, daß seine Haare über Nacht grauer geworden waren. Vergeblich versuchte sie, ihm ein aufmunterndes Lächeln zuzuwerfen, er sah niemanden an. Für einen Moment blieb er vor dem Platz der Ministerpräsidentin an der Stirnseite des ovalen Tisches stehen, überlegte es sich dann aber anders. Er zog den großen Ledersessel hervor, ließ ihn leer stehen und setzte sich auf den Platz links daneben. Auf den des Außenministers.
    »Schön, daß alle kommen konnten«, sagte er und betrachtete die anderen aus zusammengekniffenen Augen.
    Der Landwirtschaftsminister trug als einziger Alltagskleidung, Jeans und Flanellhemd. Er war zum Angeln in den Bergen gewesen, als das Regierungsfahrzeug ihn abgeholt hatte, er hatte einfach keine Zeit mehr gehabt, sich den Umständen entsprechend umzuziehen.
    »Es ist ein entsetzlicher Tag für uns alle.« Der Außenminister räusperte sich. »Was den Fall an sich betrifft … den Fall für die Polizei, so weiß ich nur sehr wenig. Es wurde keine Waffe gefunden. Kein Verdächtiger wurde festgenommen. Natürlich arbeitet die Polizei auf Hochtouren. Unterstützt vom Polizeilichen Überwachungsdienst. Ich brauche ja wohl kaum zu sagen, warum der mit im Spiel ist.«
    Er tastete nach dem Mineralwasserglas, das vor ihm auf dem Tisch stand, und leerte es in einem Zug. Niemand brach das Schweigen, obwohl in der Luft des schallisolierten Raumes genug Fragen zu hängen schienen.
    »Was mir vor allem am Herzen liegt, ist, euch über die weiteren Ereignisse auf dem laufenden zu halten. Ich werde um neun Uhr vom König empfangen, im Laufe des Tages wird dann ein außergewöhnlicher Staatsrat einberufen. Den genauen Zeitpunkt erfahrt ihr noch.«
    Der Außenminister hielt noch immer sein leeres Glas in der Hand, er starrte es an, als hoffe er, daß es sich ganz von allein wieder füllen werde. Dann stellte er es widerwillig ab und wandte sich der Ministerialrätin zu, die dem leeren Sessel der Ministerpräsidentin gegenüber saß.
    »Könnten Sie bitte einen kurzen Bericht geben?«
    Die Ministerialrätin im Büro der Ministerpräsidentin war eine ältere Frau, die energisch und ausdauernd gegen die Tatsache ankämpfte, daß sie in zwei Monaten siebzig werden würde. Sie hatte sich in der vergangenen Nacht mehrfach bei dem entsetzlich egoistischen Gedanken ertappt: Was hier passiert war, konnte möglicherweise dazu führen, daß ihr Ruhestand um ein Jahr verschoben würde.
    »Otto B. Halvorsen«, begann sie und setzte eine Lesebrille vor ihr schmales, eckiges Gesicht. »Verstorben am 23. Mai 1923. Er und Peder Ludvig Kolstad sind als einzige durch den Tod von ihrem Amt als Ministerpräsident abberufen worden. Aber damit haben wir immerhin etwas, woran wir uns halten können. Ich sehe keinen Grund, in diesem Fall anders vorzugehen.«
    In diesem Fall … Finanzminister Tryggve Storstein war ziemlich gereizt, fast schon wütend. Das hier war kein »Fall«. Sie standen vor der entsetzlichen Tatsache, daß Birgitte Volter tot war.
    Tryggve Storstein war eigentlich ein gutaussehender Mann. Er hatte regelmäßige Gesichtszüge, die jedem Karikaturisten die Arbeit schwermachten, kurze dunkle Haare, die keinerlei Rückschluß auf seine bald fünfzig Jahre zuließen, und Augen, die dem Gesicht einen besorgten Ausdruck verliehen und ihn selbst dann, wenn er lächelte, traurig aussehen ließen. Seine Nase war gerade und nordeuropäisch, sein Mund konnte beim Sprechen geradezu sinnlich wirken. Aber Tryggve Storstein gab sich alle Mühe, um sein vorteilhaftes Äußeres nicht allzu auffällig werden zu lassen. Vielleicht lag das an seiner Kindheit auf einem Einödhof in Troms, vielleicht auch daran, daß er gewissermaßen in die Partei hineingeboren worden war. Auf jeden Fall hatte seine Kleidung eine gewisse Tendenz zur Geschmacklosigkeit, die boshafte Konservative allen ehemaligen Mitgliedern der sozialdemokratischen Jugendorganisation nachsagten. Im Grunde hätte die Kleidung

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